218 ANFANG VOM ENDE UND ENDE VOM ANFANG

Ich kann von diesem Lebensabschnitt nicht Abschied nehmen, ohne noch eine andere literarische Erinnerung anzureihen, die auch eine politische Bedeutung hat. Sie bringt den Namen des größten lebenden deutschen Schriftstellers und Erzählers in einen bezeichnenden Zusammenhang mit der damaligen Deutschen Gesandtschaft in Wien .

Thomas Mann ging seinem fünfzigsten Geburtstag entgegen, und der Wiener Pen-Club, dessen Chairman ich war, wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den Dichter des Zauberberg und derBuddenbrooks nach Gebühr zu feiern. Wir veranstalteten ein Dinner ihm zu Ehren, in dessen Ver- lauf die üblichen Reden getauscht wurden. Die Tischrede Thomas Manns , die in eine liebevoll-verständige Würdigung Wiens ausklang, ist in seine Schriften übergegangen.

Unser Gast, der kurz zuvor in einer Geburtstagsrede Gerhart Hauptmann alsKönig der Republik apostrophiert hatte, und den ich nun alsKurfürsten der Republik ansprach, war deut- scher Staatsbürger. Infolgedessen war es selbstverständlich, daß wir zu unserer Pen-Club-Feier, die in Gegenwart des Bürgermeisters von Wien und anderer Notabilitäten stattfand, auch die Deutsche Gesandtschaft einluden, was in geziemender Form geschah.

Der Gesandte, Herr Pfeifer, ein Rheinischer Zentrumsmann, entschuldigte sein Fernbleiben und ließ bekanntgeben, daß ihn Gesandtschaftssekretär Herr von Alberti vertreten werde. Der Platz neben Frau Thomas Mann wurde für ihn freigehalten, blieb aber unbesetzt, was wir dadurch kenntlich machten, daß wir ihn absichtlich leer ließen. Erst am nächsten Tag kam eine schriftliche Entschuldigung: eine zahnärztliche Behandlung hätte es Herrn von Alberti zu seinem Bedauern unmöglich ge- macht, an dem Bankett teilzunehmen. Wir verstanden, viel-

mehr wir glaubten zu verstehen; denn drei Monate später, schon in meinem geliebten Alt-Aussee, erhielt ich einen zwei-