Münchener Amtsgerichtsrat und langjährigen Herausgeber des Blumhardtkalenders, Dr. Alo Münch, in einem Sammelband zusammengefaßt, zu seinem A und O wurde. Nicht weniger gewann er die Bibel lieb und, wie bereits erwähnt, den reichen Schatz evangelischer Choräle. Aus ihnen lernte er größere Teile auswendig und hatte sie bei seinem fabelhaften Gedächtnis ständig gegenwärtig. Es war für den Seelsorger geradezu ein Genuß, sich mit ihm zu unterhalten und eine Freude zu sehen, wie er im besten Sinne suggestiv auf seine Leidensgenossen, einwirkte und manchem zum Wegbereiter für die Ewigkeit wurde. Er selbst hatte bei alldem seine stark ausgeprägte Selbstsucht und Unbeherrschtheit verloren und war zur harmonischen aber durchaus nicht stoischen Persönlichkeit herangewachsen, die am besten als Verwirklichung wahrer Gotteskindschaft bezeichnet werden kann. Dies beweist sein unten angeführter Abschiedsbrief, den er in der allerletzten Lebensstunde an seine Schwester mit auch kalligraphisch bewundernswerter Handschrift schrieb, vor allem aber seine auf mehr als 100 Einzelzetteln niedergelegte Selbstbiographie und Lebensbeichte, die er mir viele Wochen vorher übermittelte. Er hatte unter Hilty's Führung den tiefsten Sinn und Zweck des Lebens erkannt und darin das wahre Glück gefunden, sodaß er das Leid pries, das ihn hierzu brachte. Er zählte sich schließlich zu den Menschen, die ,, vor allem mehr Alleinsein mit Gott brauchen", weil sie ,, das beständige Zusammensein mit anderen nie zum eigentlichen Nachdenken über sich selbst kommen läßt." ,, Bei mir", so fährt er fort ,,, sollte die Gefängniszelle den Dienst leisten, den sonst ein Aufenthalt in der Einöde tut." So wurde auch ihm wie schon so manchem- das Leid zum Segen und die geschlossene Zellentür zur offenen Himmelspforte. Mit einer fröhlichen Ruhe, ja fast Ausgelassenheit erwartete er seine letzte Stunde und ging zum Schafott nicht anders als ein Kind ins Weihnachtszimmer. Als Text für die Vorbereitung zum Heiligen Abendmahl in seiner letzten Lebensstunde wählte er sich selbst das Evangelium des 2. Adventssonntages aus Lukas 21 mit dem Gleichnis vom Feigenbaum und den Verheißungsworten: ,, Wenn ihr dies alles sehet angehen, so wisset, daß das Reich Gottes nahe ist..." ,, Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht" und vor allem mit der trostvollen Mahnung: ,, Erhebt euere Häupter, darum daß sich euere Erlösung nahet." Hocherhobenen Hauptes mit einer geradezu übernatürlichen Ruhe schritt er zur Richtstätte...
-
92


