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Damit war aber die Scholl'sche Aktion keineswegs erledigt oder erstickt, obwohl die Presse behauptet hatte, daß sie das Erzeugnis ,, charakteristischer Einzelgänger" gewesen sei. Der Funke hatte gezün­det und loderte immer wieder hell auf. Das letzte hierher gehörige Todesurteil wurde noch am 29. Januar 1945 vollstreckt und zwar an dem hochbegabten Chemiestudenten Hans Karl Leipelt aus Hamburg , während andere mitbeteiligte Chemiker zu meist hohen Freiheitsstra­fen verurteilt wurden, so die Verlobte Leipelts, eine Chemiestudentin, zu acht Jahren Zuchthaus. Leipelt war über ein Jahr lang in Unter­suchungshaft in Stadelheim und ist in dieser Zeit zu einem geradezu vorbildlichen Charakter und hochgemuten Christen herangereift, der sich zuletzt nur noch mit der Bibel und religiösem Schrifttum, vor allem auch mit dem Gesangbuch, beschäftigte und ganz in der Welt des Christentums aufging, dabei auch seine zahlreichen Zellengenossen aus allen Konfessionen und Weltanschauungen, die immer wieder wech­selten, weil sie vor ihm zum Schafott geführt wurden, beeinflußte. Seine tiefgläubige evangelische Mutter, die den Doktor der Chemie besaß rassisch gehörte sie dem Judentum an- hat in einem nord­deutschen Gefängnis den Tod gefunden. Der Vater, Direktor eines Zinnwerkes, war kurz vorher an Herzschlag gestorben, seine einzige Schwester, die als Halbarierin kurz vor ihrer Reifeprüfung das Gym­nasium verlassen mußte, war zuletzt in Cottbus im Gefängnis. Er selbst hat trotz seines Halbariertums im Polen - und Westfeldzug mitgekämpft und das Eiserne Kreuz erworben, war aber dann wegen seiner Rasse vom Heer entlassen worden, sodaß er sein Chemiestudium in München fortsetzen und beinahe vollenden konnte. Da wurde er am 8. Oktober 1943 verhaftet, weil er als Gesinnungsgenosse des Scholl'schen Zirkels entdeckt wurde, auch für die Hinterbliebenen des Kreises Huber gesam­melt und vor allem ausländische Sender gehört und sich darüber Notizen gemacht hatte. Als er ins Gefängnis eingeliefert wurde, war er religiös nicht uninteressiert, auch von seiner Gymnasialzeit her christlich belehrt, aber in der praktischen Lebensführung durchaus kein bewußter evan­gelischer Christ sondern ein Skeptiker gewesen. Durch unzählige seel­sorgerliche Gespräche und oft recht lebhafte Debatten, nicht zuletzt auch durch die Lektüre zahlreicher christlicher, auch theologischer Werke kam er immer mehr zu einem entschiedenen Christentum. Ganz besonders förderte ihn hierin das Werk des Schweizer Juristen und Religionsphilosophen C. Hilty , dessen vielbändiges ,, Glück" von dem

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