Zwei Tage später wurden die beiden abends im abgeschlossenen Friedhof am Perlacher Forst unter Aufsicht der Gestapo zu Grabe getragen. Schneeweiß leuchteten die Berggipfel des Zugspitzmassivs herüber, glutrot ging der Sonnenball unter. Nur weniges konnte und durfte vor dem engsten Familienkreis verkündigt werden. Es wurde auf die Berge hingewiesen ,,, von denen uns Hilfe kommt" in allen Nöten, und auf die Sonne, die nie untergeht, sondern auch in die traurigsten und dunkelsten Herzen Trost und Kraft hineinstrahlt, von der Paul Gerhardt singt: ,, Die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesus Christ ". Dieser Heiland kann auch die untergegangene Sonne wieder aufgehen lassen... Und dann klangen über dem gemeinsamen Grab die Worte des 90. Psalmes: ,, Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: kommt wieder, Menschenkinder..."

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Abschließend aber erscholl das ,, Hohe Lied der Liebe" aus dem 1. Korintherbrief mit seinem krönenden Finale: ,, Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich's stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Nun aber bleibt Glaube, Hoff­nung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen."

Am 19. April 1943 folgte der zweite Hochverratsprozeß ,, in Sachen Scholl und Genossen" wiederum unter dem Vorsitz des Volksgerichts­hofpräsidenten Freisler, dem beizuwohnen mir auf sonderbare Weise möglich war. Er endete mit den Todesurteilen gegen Universitätsprofes­sor Dr. Kurt Huber und die Medizinstudenten Willi Graf und Alexan­ der Schmorell , während eine größere Anzahl von Gesinnungsgenossen und Helfershelfer, darunter auch die Ulmer Pfarrerskinder Hans und Suse Hirzel sowie die Absolventen Franz Müller und Heinrich Guter zu Zuchthaus - und Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Das vom Ober­reichsanwalt beantragte Todesurteil gegen Grimminger aus Stuttgart wurde in eine lange Zuchthausstrafe umgewandelt. An Professor Huber, einem aus dem Allgäu stammenden tiefgläubigen Katholiken, der sich in langen Gefängniswochen auch aus evangelischen Schriften und Wer­ken Trost spenden ließ und bis zuletzt an einer begonnenen Arbeit über den Philosophen Leibniz schrieb, und an dem griechisch- orthodoxen Schmorell wurde erst am 13. Juli 1943 die Todesstrafe vollstreckt, an Graf noch später( im Oktober).

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