Sein Lieblingslied, das er bis zuletzt betete, hatte ihn längst auf diese Stunde vorbereitet:
„Die auf der Erde wallen, die Sterblichen sind Staub; sie blühen auf und fallen, des Todes sich’rer Raub. Verborgen ist die Stunde, da Gottes Stimme ruft; doch jede, jede Stunde bringt näher uns der Gruft.
Getrost geh’n Gottes Kinder, die öde, dunkle Bahn,
zu der verstockte Sünder verzweiflungsvoll sich nahn, wo selbst der freche Spötter nicht mehr zu spotten wagt, vor dir, vor seinem Retter, erzittert und verzagt.
Des Himmels Wonn’ und Freuden faßt nie ein sterblich Herz; o Trost für kurze Leiden, für kurzen Todesschmerz!
Preis ihm, der für uns Sünder den Kelch des Todes trank!
Dem Todesüberwinder sei ewig Preis und Dank!“—
Als Absender auf seinen Abschiedsbrief an seine Schwester Maria Leipelt schrieb er in kunstvoller Druckschrift„Hans K. Leipelt, cand. mort.‘“(Todeskandidat). Der Brief selbst, der mit ebenso kunstvollen Schriftzügen geschrieben und— ganz zuletzt auch noch eigens von ihm für mich abgeschrieben wurde, lautete:
„Liebes Schwesterchen, gerade im Moment, sozusagen, habe ich eine Karte(bzw. einen Brief) an Dich losgelassen, die ersten an die Adresse in Cottbus , die ich erst in der letzten Woche erfuhr— und heute findet meine Hinrichtung statt. Ich weiß, was Dir diese Nach- richt— wenn Du sie unter den jetzigen Verkehrsumständen und bei der gegenwärtigen Kriegslage überhaupt erhältst— für großen Schmerz bereiten wird. Sie läßt Dich die völlige Hilflosigkeit und Verlassenheit Deiner gegenwärtigen Lage umso stärker empfinden, da Dir nun der letzte Dir wirklich nahestehende Mensch genommen wird, der— wenn er auch jetzt ebenso hilflos war wie Du— Dir doch nach dem Kriege jede Hilfe hätte zuteil werden lassen, die in seiner Macht gestanden hätte, der versucht hätte, durch ein Leben voll unaufhörlicher Liebe und nach Möglichkeit einen Teil dessen wieder gut zu machen, was Du durch ihn und um seinetwillen hast erdulden müssen. Und doch, Liebes, bleibst Du nicht allein zurück. Abgesehen davon, daß ich gute Menschen weiß,
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