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wichtige Ereignis ein. Mein Vater, der bisher entschieden jede kirch­liche Einrichtung ablehnte, hat sich entschlossen, auf Anregung eines bekannten Herrn zur evangelischen Kirche überzutreten. Er fragte mich, ob ich auch geneigt sei, in die evangelische Glaubensgemeinschaft einzutreten. Vorerst mußte ich mir aber diese ganze neue Lage durch den Kopf gehen lassen. Die Wendung meines Vaters, daß gerade er wieder seinen Gott gefunden haben will, gab mir viel zu denken. Was meine Mutter betraf, war sie die glücklichste von uns. Dieser Übertritt bereitete ihr große Freude, und ich wußte auch, daß ihr gutes Herz mit Freude erfüllt war. Diesen neuen Verhältnissen stand ich vorerst gleich­gültig gegenüber. Von Mutter angeregt, besuchte ich mit ihr den evange­lischen Gottesdienst. Wie staunte ich, als ich zum erstenmal das Gottes­haus betrat, das mit seiner einfachen Herrlichkeit eine sonderbare Er­regung in mir hervorrief. Da stand der schlichte Altar mit dem ein­fachen Kreuz, geschmückt durch ein ganzes Meer von Blumen, und die durch das Fenster eindringenden Sonnenstrahlen spiegelten sich in dem natürlichen Schmuck! Eine ganz eigenartige Stimmung be­mächtigte sich meines Herzens, noch nie war mir so feierlich zumute. Mit Spannung wartete ich auf den Beginn des Gottesdienstes... Im Laufe des Gottesdienstes gewann ich durch sein ganzes Wesen stets mehr Überzeugung: Die natürliche Einfachheit, mit der man dem Volke das Wort Gottes vor Augen führt durch klare verständliche Ausdrucksweise des Priesters, der in der Sprache seines Volkes mit diesem die Gebete an Gott richtet, der allein für alle, mit allen, Gott verherrlicht, bewirkte eine entscheidende Änderung in meinem Inneren. Unwillkürlich bekam ich die Ansicht, daß, wenn es einen Gott gibt, nur in diesem Haus das Wort Gottes der Wahrheit entsprechend geehrt und vertreten wird. Mögen aber alle diese Betrachtungen noch so gründ­lich sprechen, den Glauben, das Vertrauen, die Zuversicht zu Gott konnte ich trotz aller Mühe nicht gewinnen. Vielleicht hatte ich doch das Wesentliche des Glaubens nicht erfaßt. Zu meiner ideologischen Anschauung, so paradox es auch klingen mag, stand ich im Wider­spruch, weil ich hier irdische und keine überirdischen Momente im Augenschein hatte. Die Jahre gingen dahin, ohne daß ich wieder den Weg zu Gott gefunden hatte. Mir war jede Bahn verschlossen, das große Ereignis war für mich unerreichbar. Aber Gott ist doch ein guter Gott, er hat auch mich nicht vergessen und sein verlorenes Schäflein wieder zurückgeführt, wenn auch auf ziemlich umständlichem Wege.

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