habe ich verlassen und mich gänzlich zurückgezogen. Als mein Vater wieder in Freiheit gesetzt wurde, begannen neuerdings die Verfolgun- gen. Das Geschäft mußte finanziell stark belastet werden, das Ringen meiner Eltern um den Bestand der Existenz nahm immer traurigere Formen an. Nur mit größter Mühe konnten sie sich über Wasser halten. Vater seelisch und gesundheitlich gebrochen, meine Mutter stark mit- genommen, sind um ziemliche Jahre gealtert. Zu dieser Zeit stand ich im letzten Schuljahr und hatte mich für die Berufswahl vorzubereiten. Hier gab es kein langes Entscheiden und Wählen, ich sah selbst ein, daß ich zum Berufe meines Vaters greifen mußte und in sein Geschäft als Lehrling eintreten mußte, nachdem ich überall abgewiesen wurde, weil der Sohn eines Marxisten nirgends angenommen werden durfte. Das heißt mit anderen Worten: der Sohn eines Menschen, der sich um die ärmere Klasse der Werktätigen Verdienste erworben hat, kann ja ruhig verkommen! Undank ist der Welt Lohn! In mir aber erwachte der Jugendstolz, und ich entschloß mich, sobald ich der Schule enthoben bin, das politische Erbe meines Vaters anzutreten und der Mißwirtschaft in einer illegalen Organisation entgegen zu arbeiten. Vom Gottesglauben schon längst abgekommen, konnte ich durch alle diese schrecklichen Verhältnisse zu Gott nicht wieder zurückfinden, der Weg zu ihm schien mir verloren. Heftige Debatten mit meinem Vetter, der ein sehr guter Christ ist, konnten mir meinen Glauben nicht wieder geben. Mein Ver- trauen zu einem höheren Wesen war gänzlich geschwunden und, offen gestanden, ich war überhaupt nicht mehr gewillt, mich mit der Gottes- frage zu beschäftigen, diese war für mich längst nicht mehr das Wich- tigste. Andere Interessen traten in den Vordergrund. Die Anschauung meines Vaters vertretend, stürzte ich mich förmlich in das Studium weltanschaulicher, politischer und wirtschaftlicher Schriften, um mich in jeder Hinsicht für mein Vorhaben zu festigen. Die Freiheit im Den- ken, die Gleichheit vor den Gesetzen, die Brüderlichkeit in der Wirt- schaft kann durch kein herrliches irdisches Ideal überboten werden. Dagegen war mein Vetter immer bestrebt, mich wieder zu Gott zu führen, und erklärte mir, ich möge doch nur einmal versuchen, das Neue Testament vernünftig zu studieren. Wiederholt bemühte er sich um mich, und trotz aller Erfolglosigkeit wurde er nicht müde, mich für Christus wieder zu gewinnen. Ich bewunderte seine Ausdauer und gab ihm das Versprechen, mich in das Neue Testament zu vertiefen und zu versuchen, meinen Glauben wieder zu gewinnen. Da trat folgendes

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