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gesammelten Lehren die richtigen Schlüsse und Vorteile für die Zukunft zu ziehen. Wenn ich die wenigen Jahre meiner menschlichen Entwicklung zurückblicke, so muß ich bekennen, daß ich seit meiner frühesten Kindheit äußerst schweren innerlichen Kämpfen ausgesetzt war, und das ist auch der einzige Grund, warum die Hoffnungen, die man auf mich setzte, nicht eingetroffen sind. Familiäre Umstände, die ich hier nicht näher erörtern will, waren der einzige Grund, daß ich zum Träumer und später zum Revolutionär wurde. Ich bin das einzige Kind guter, sorgsamer und fleißiger Eltern, die in jeder Hinsicht bestrebt waren, aus mir einen vollkommenen Menschen zu machen, und ich bin auch mit besonderer Liebe meinen Eltern zugetan. Mein Vater war geistig sehr regsam und hatte in seiner Eigenschaft als Hauptfunktionär der SPD. stets nur das Beste des Gemeinwohls im Auge behalten ich darf mit Stolz behaupten, daß die Verdienste, die sich mein Vater durch die soziale Besserstellung in seinem Wirkungskreis erworben hat, nicht von geringer Bedeutung sind. Er hat für die arme Bevölkerung, besonders für die Arbeitslosen, sehr viel getan. Vater war aber vollständiger Atheist und gehörte keiner Konfession an, d. h. nach seiner Rückkehr aus dem Weltkrieg 1914-1918 ist er aus der katho lischen Kirche ausgetreten. Meine Mutter dagegen war gottesfürchtig und dem evangelischen Glaubensbekenntnis zugetan. Ich bin als Kind sehr fromm gewesen. Mit besonderer Liebe verehrte ich Gott . Täglich verrichtete ich meine Gebete und konnte mich nicht genug ereifern, regelmäßig den Gottesdienst zu besuchen. Aber später sah ich zu viel trauriges soziales Elend... Es war mir schon als Kind etwas Furchtbares, wenn jemand anderer Menschen wegen Unrecht zu ertragen hatte. Von allerlei schwärmerischen und träumerischen Gedanken wurde ich erfüllt und ich fragte mich, warum denn Gott als ein gerechter Vater so viel Elend und Unrecht duldet. Warum müssen denn die Menschen die alle Gotteskinder sind, ihren Mitmenschen so viel Leid antun, und warum läßt Gott nicht alle Menschen glücklich sein? Er allein hätte doch die Macht, allem Elend ein rasches Ende zu bereiten, und könnte seinen Geschöpfen Ruhe und Frieden geben! Fragte ich dann in kindlich naiver Weise meine Mutter, warum denn Gott so ungerecht ist und nicht jeden Menschen glücklich werden läßt, antwortete sie immer mit Freuden: daß nicht Gott die Ursache des großen Elends und der Unzufriedenheit ist, sondern die Menschen selbst, die es durch ihr sündhaftes Leben verdorben haben. Gott wollte für die Menschen
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