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9. Kapitel
Andere Kriminelle und„Volksschädlinge“
Unter den Todeskandidaten waren außer den Räubern und Mör- dern auch eine Reihe anderer ‚schwerer Jungen“, die schon vor dem „Dritten Reich ‘ Dutzende von Vorstrafen hatten und als„unverbes- serliche Gewohnheitsverbrecher“ hingerichtet wurden. Vor allem aber hatte das Hitlerregime die Kriminalität ganz wesentlich gefördert und vermehrt, indem es die Bindung an die„alttestamentarischen“ 10 Ge- bote gelockert oder ganz aufgelöst hat und auch durch das Vorbild der „Großen“, die man laufen ließ, die„Kleinen“ veranlaßte, über die Schranken zwischen Mein und Dein großzügig hinwegzusehen und hin- wegzugehen. Schließlich hat dann der Krieg mit seinem Mangel an den lebensnotwendigsten Dingen und den leichteren Möglichkeiten, bei Ver- dunkelung Eigentumsdelikte auszuführen, zu einer gewaltigen Steige- rung der Verbrechen geführt. Wenn in jedem Keller die besten und wertvollsten Dinge in den Luftschutzkoffern griffbereit standen, konnte mancher nicht der Versuchung widerstehen, nach solchen zu greifen und sie sich anzueignen. Oder wenn in den verdunkelten Bahnhofs- hallen lange Reihen von hochaufgetürmten Packwagen mit Passagier- gut völlig unbewacht. auf den Bahnsteigen herumstanden, war es für manchen verlockend, sich schnell eines vornehmen Lederkoffers zu bemächtigen. Freilich waren dann oft Sachen darin, die der Koffer- dieb gar nicht verwenden konnte. So erwischte einer das Inventar einer Tänzerin: Spitzenröckchen, feinste Wäsche, Puderdosen, Lippenstifte und andere Theatertoiletten. Wütend warf er sie in eine Ecke des Bahn- hofs, wurde dabei beobachtet, verhaftet, und es kostete ihm den Kopf. Der Mangel an geschulten Polizeimännern, die ja meist an oder hinter den Fronten standen, war wiederum ein Anlaß zu nicht allzu riskanten Einbrüchen. So vollführten zwei junge Burschen, die als Spezialarbeiter in einem Kriegsbetrieb uk.(unabkömmlich) gestellt waren, in vier Monaten nicht weniger als 72 nachweisbare Einbrüche in Kaufhäusern, Lebensmittelgeschäften und Luxusläden, ohne daß es ihre ehrbaren Eltern ahnten und die Polizei sie ertappte. Was ihre „Bräute“ sich wünschten: Wäsche, Skianzüge und-ausrüstung, Radios, Pelzmäntel, Schmucksachen, Grammophone, Weine, Süßigkeiten und andere Mangelwaren, das wurde in der darauffolgenden Nacht„organi-
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