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ten. Schon wenn ihre Hände auf den Rücken gebunden waren, küßten sie oft noch dem sie zum letzten Gang begleitenden Seelsorger die Hand. Ein tschechischer Musikprofessor, den ich betreut hatte, wobei er alle seine in seiner Muttersprache mit inbrünstiger Glut gesprochenen Gebete immer auch auf Deutsch wiederholte, damit ich sie verstehen konnte, trat zuletzt an mich heran und ersuchte mich, ihm eine letzte Bitte noch zu erfüllen. Als ich verwundert fragte, was er denn noch begehre und ihm zusagte, daß ich seinen Wunsch, wenn irgend möglich, gerne erfüllen wolle, da sprach er zu meiner nicht geringen Überraschung: „Ich bitte, Sie noch küssen zu dürfen.‘ Da der brüderliche Kuß biblisch begründbar ist(1. Kor., 16, 20), so konnte ich ihm diese letzte Bitte nicht versagen. Und so bot ich dem tschechischen Professor und Glau- bensbruder, ehe er zum Schaffott schritt, die Stirn zum Kuß! So über- windet der Christenglaube selbst feindliches Volkstum und verschiedene Rasse. Was Wunder, daß ich auch mit einem englischen Major, der zwei Jahre lang wegen angeblicher Spionage als Todeskandidat bei uns weilte, bis er schließlich von den Amerikanern befreit wurde, auf Grund des gleichen, auch von ihm ganz. tief und ernst genommenen Glau- bens in innigster Verbindung und Verbundenheit stand. Er bekannte mir immer wieder, daß er ganz spontan, ohne jede Aufforderung tagtäglich für meinen Sohn um den göttlichen Schutz bete, obschon dieser, zunächst als Flakhelfer auf die englischen Flieger, zu denen auch sein Sohn zählte, schoß, und dann als Grenadier den Engländern gegen- überstand.—
5. Kapitel Die Todeszellen
Das Gefängnis Stadelheim wurde ı89/4 erbaut und hätte also im Jahre 1944 sein 5ojähriges Jubiläum feiern können. Aber gerade in diesem Jahre war sein Bestand aufs äußerste gefährdet. Bei den Juli- angriffen fiel ein Sprengbombenvolltreffer in den Neubau. Zum Glück traf er gerade das große Treppenhaus und nicht den Zellenteil, sonst wären Dutzende von Häftlingen, die ja bei den Fliegerangriffen in ihren, noch dazu verschlossenen Zellen völlig hilflos und ungedeckt weilen mußten, getroffen worden. So gab es„nur“ 5 Tote, darunter 2 Aufseher. Aber selbst dieses erschütternde Ereignis verhinderte nicht, daß am darauffolgenden Tage, noch ehe die Toten geborgen waren, die Guillotine weiterarbeitete und zumeist unschuldige Menschen vom
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