Nur ganz selten wurde der Seelsorger abgewiesen. In ernsthaften Fällen kam es nur zwei Mal vor. Der eine war ein Gangster, der zweite ein Raubmörder. Letzterer hat noch einige Stunden vor seiner Hinrichtüng den Geistlichen zu sich gebeten und Gebet und Sakraments- empfang begehrt. In seiner letzten Stunde schrieb er noch, damit es anderen zur Warnung diene(obschon es nie mehr nötig war), folgende Worte nieder:„Ich... bestätige hiermit, daß ich zwar bei meinem letzten Gang den geistlichen Zuspruch abgelehnt habe und doch in der Nacht zu anderer Einsicht kam. Durch den Zuspruch des Hausgeist- lichen und den Empfang des heiligen Abendmahles gestärkt, kann ich meinen letzten Gang erleichtert antreten. Gestärkt durch Christi Blut N. N.“
Daß auch die Angehörigen der Gefangenen und besonders der Todeskandidaten die Tätigkeit und Korrespondenz mit dem Gefängnis- seelsorger dankbar vermerkten, beweisen eine Fülle von oft rührenden Dankesbriefen, die zu veröffentlichen nicht am Platze ist.
Freilich bildete der persönliche oder briefliche Verkehr der Ge-
fängnisseelsorger mit den Angehörigen der Verhafteten einen steten
Gefahrenkomplex, da sowohl die Korrespondenz als auch die Fern- sprecher der Geistlichen überwacht waren und die Staatsanwaltschaften wie auch die Gestapo stets darauf lauerten, einem Pfarrer den Prozeß zu machen. Wenn sich dann gar die Angehörigen in ihren Gnaden- gesuchen auf den Geistlichen beriefen, dann wurde die Situation für diesen geradezu kritisch. So war ein auf den ersten Blick als schwach- sinnig erkennbarer junger Mensch wegen eines harmlosen, im ange- trunkenen Zustand vollbrachten Verdunkelungsvergehens kurzerhand vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt worden. Im Anschluß daran wurde folgende„Einvernahme‘“ vom Generalstaatsanwalt gefordert: »»... In seinem Gnadengesuch für den zum Tode verurteilten N. N. führt sein Bruder an, daß auch die Anstaltsgeistlichen... sagen, daß dieser Mann, da er doch geistig nicht normal ist, hier gar nicht her- gehört, sondern in eine Pflegeanstalt, denn trotz mehrmaliger Hin- weise auf seine bevorstehende Hinrichtung habe er nach Schilderung der Geistlichen keinerlei Anzeichen von Verständnis für seine ernste Lage gezeigt.:. Ich bitte‘, so fährt der Generalstaatsanwalt fort, ‚‚fest- zustellen, ob und wem gegenüber die Geistlichen sich in dem im Gna- dengesuch behaupteten Sinne geäußert haben. Abschriften der Einver- nahme ersuche ich in 2 Stücken vorzulegen. München , r. März 1910.“
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