4. Kapitel
Seelsorge im Gefängnis
-
Von Anfang an hat das Christentum in enger Fühlung mit dem Gefängnis gestanden, aktiv und passiv. Bereits sein Gründer hat auf die aktive Betätigung seiner Anhänger gegenüber den Gefangenen nicht nur hingewiesen, sondern sie geradezu gefordert. Am jüngsten Tage wird Erso spricht es Matthäus, Kap. 25, 36 aus diejenigen zu seiner Rechten stellen und in seines Vaters Reich aufnehmen, die ,, seine geringsten Brüder", mit denen Er sich identifiziert, im Gefängnis betreut haben, indem Er zu ihnen spricht: ,, Ich bin gefangen gewesen und ihr habt mich besucht." Es war deshalb folgerichtig, daß schon in den ersten christlichen Jahrhunderten den Bischöfen die Gefängnisseelsorge zur besonderen Pflicht gemacht wurde.
Vor allem aber haben die Christen aller Jahrhunderte nur allzu reichlich passiv an dem Gefängnisleben teilgenommen. Schon der Vorläufer und Wegbahner des Weltheilandes, Johannes der Täufer , endete nach langem Eingesperrtsein im Kerkerverlies der Felsenfestung Machärus im Ostjordanlande, nachdem Herodias sein Haupt auf einer Schüssel gefordert hatte. Johannes hatte als Buẞprediger aller Stände ( Lukas 3, 1-20) sich auch nicht gescheut, dem König Herodes sein Unrecht und vor allem seine Unsittlichkeit öffentlich vorzuhalten ( Matthäus, Kap. 14, 1-11). So wurde er auch der Vorläufer der endlosen Kette der christlichen Märtyrer. Ein Blick in die Apostelgeschichte schildert ihre Leiden. So ist Paulus und Silas im Gefängnis zu Philippi blutig gepeitscht und in den ,, Stock" gelegt worden( Apostelgeschichte, Kap. 16, 24) und hat schließlich den ,, Kerkermeister"( Gefängnisdirektor) bekehrt. Seine meisten uns erhaltenen Sendschreiben sind ,, Gefangenschaftsbriefe", verfaßt in den verschiedensten Gerichts- und Strafgefängnissen, die auch die Leser stärken und ermuntern sollten, im Notfalle hinter Gefängnismauern oder auf den Richtplätzen wie auf der Arena ihren Glauben standhaft und todesmutig zu bekennen, denn sie galten als Staatsfeinde, ja als ,, odium generis humani"( Verhaẞte des ganzen Menschengeschlechtes). Wie es in jenen Kerkern des Altertums aussah, die alle dem berüchtigten Tullianum glichen, wo sadistische Folterung, Frost, Finsternis, Schmutz und Hunger herrschten, wo die Menschen massenweise so zusammengepfercht waren, daß sie sich nicht einmal niederlegen konnten, die Luft verpestet war und die
23


