Des Arztes Kehle war trocken, als hätte er Staub geschluckt.

Mühsam stammelten seine Lippen: ,, Sie haben Furcht­bares erlebt, Herr Manez, Sie und Ihr Freund,- Sie alle."

,, Ja, es war ein Hölle! Immer hatten wir den Tod vor Augen. Langsam verfielen die Körper unserer Freunde und Bekannten. Man konnte es sich ausrechnen, wann das Verhungern eintrat. Oder sie verließen uns, um mit einem Transport von Theresienstadt nach Auschwitz in die Gaskammern zur Verbrennung geschickt zu werden." Mühsam gelang es Gebhard, seine Erschütterung über die unerhörten Vorkommnisse zu verbergen. Schlim­mer als alles Vorherige erschien ihm die ruhige und sachliche Darstellung Manez' von seinem Erlebnis in Auschwitz . Er sah den zitternden Mann unter dem Wa­gen liegen, wo er Zeuge der Ermordung tausender Frauen, Kinder und Männer wurde, wo er die gellenden, schrillen Schreie der unschuldig hingeopferten Kinder hörte. Und er sah ihn förmlich vor sich, wie das Ent­setzen seine Züge verzerrte.

Eine Verzweiflung ohnegleichen ergriff Gebhard.

,, Nein", rief er ,,, haben Sie Erbarmen! Jedes Ihrer Worte fällt in die Wagschale unserer Schuld und drückt sie klaftertief nieder. Sie belastet unser Konto ins Un­ermeßliche.

O, grausam, unerbittlich grausames Schicksal!" Gebhard hielt einen Augenblick inne. Er drehte sich voll zu Manez herum und sah ihm tief ins Auge.

,, Eines steht klar vor mir: daß es keine Stunde mehr geben wird, die mir gehört. Arbeit hieß immer mein Le­ben, nun ist die Sühne hinzugetreten. Beides soll jetzt mein Daseinszweck sein. Sühnen und Arbeiten! Mehr kann ich nicht geben, als was diese meine beiden Hände hier schaffen können und dazu das Verständnis voller Verantwortung für die Wiedergutmachung aller begangenen Fehler. Schwere, unverzeihliche Sünden sind von einem großen Teil des deutschen Volkes be­

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