Leben und Weben der Natur in sich barg, so erschien sein wundervolles Spiel dem lauschenden Zuhörer.

Denn er spielte nicht, er musizierte ganz ohne Kunst Seine Töne, die er der Geige entlockte, waren Naturlaute.

Und er, der so junge, so unbekümmerte Künstler, haßte das Flirten und Kokettieren seiner Partnerin, doch ihre Künstlernatur, die verehrte und liebte er tief. Er brauchte um der Minne Sold nicht lange zu werben, gewann er doch schon allein durch seine Erscheinung die Herzen, nun kam noch seine Kunst hinzu.

Er war Tamaras Partner und ständiger Verehrer, mit dem sie ihre Vorträge einübte und zu Gehör brachte. Peter versäumte nicht einen Abend, an dem Tamara auftrat.

Immer sah man sie zusammen. Und ganz Theresien­stadt wußte darüber Bescheid.

Tamara war sehr lebensklug, auch in Sachen der Liebe. Sie war die Führende. Durch ihre Beziehungen erhielt Peter jetzt eine Zusatzkarte, so daß er nicht mehr zu hungern brauchte.

Wenn Tamara in ihrer zigeunerhaften Aufmachung, die Harmonika um die Schultern gehängt, mit einem Sprung wie ein schönes Raubtier sich auf das Podium schwang, brach regelmäßig schon bei ihrem Erscheinen ein Sturm von Beifall aus. Sie war erst 30 Jahre alt, machte aber einen viel älteren Eindruck. Dieser wurde durch die Selbständigkeit ihres Auftretens hervorge­rufen.

Heute trat sie um 6 Uhr in der Frey- Truppe auf. Schon um halb sieben, nachdem ihr Vortrag beendet war, verließ sie den Saal.

Sie schob ihren Arm in den Peters.

,, Nun, was sinnst du, haben dir meine Lieder nicht gefallen?" Sie richtete ihre dunklen Augen auf Peters bleiches Gesicht.

,, Gewiß, Tamara! Ich bin ein großer Sünder vor dem Herrn, denn ich habe mich seit Wochen nicht um meine Schwester gekümmert. Nichts weiß ich über sie."

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