zärtlich zugetan war und dessen Tod sie anfänglich nicht verwinden konnte, ja, dessen Verlust sie so schmerzlich traf, daß sie krank wurde und in Behandlung Dr. Geb­hards gehen mußte, stand wieder neu vor ihrem geisti­gen Auge.

Das vergangene Leben wurde erweckt und umgab sie mit seinem gefährlichen Zauber. Es war ein schöner Sommertag.

Die Sonne neigte sich bereits und der Tag, der heiß begonnen hatte, wurde kühler. Am Himmel zogen die Wolken tiefer und dichter vorüber. Es schien, als wollte es regnen.

Langsam, von der Tagesarbeit ermüdet, schritt sie die Stufen zur Bastei empor, um Peter zu erwarten.

Wieder nahmen die Gedanken des Einst sie gefangen. Sie erinnerte sich des Augenblicks, als sie Dr. Gebhard zuerst sah. Der Eindruck war ein vollkommen gleichgül­liger. Durch die Behandlung ihres Mannes und auch durch die später erfolgten gesellschaftlichen Beziehungen kam sie flüchtig mit ihm in Berührung. Richtig kennengelernt hatte sie ihn erst durch ihre eigene Krankheit, nach dem Tode ihres Mannes.

Was er meinte, und wie er es vorbrachte, hatte damals ihrem Manne schon große Beruhigung gegeben. Ähnlich erging es ihr. Die Erschlaffung der Nerven ließ nach, und schnell ging es aufwärts.

Er war nicht nur Arzt geblieben, sondern wurde ihr, der vereinsamten Frau, auch Ratgeber und Freund. Die schwierigen Lebensfragen, die sie bedrängten, löste er spielend. Abende kamen, wo er ein wenig Zeit mit­brachte und bei einer Tasse Tee etwas länger blieb. bis eines Seine Nähe wurde ihr bald unentbehrlich, Abends, ihr selber unerklärlich und überraschend, sie ganz plötzlich nicht mehr den Arzt, der sie gesund ge­macht hatte, und den väterlichen Ratgeber, der ihr Hilfe gab, vor sich sah, sondern den Mann.

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Sie fing an, sich nach ihm zu sehnen, wenn er ausblieb. War er dann da, war sie unsicher und verändert, ging

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