andere Motive als nur gute unterschieben könnte. Sie war daher aufs äußerste bestürzt, als die Hilfsschwester ihr im Flur des Hauses energisch entgegentrat und mit greller, entrüsteter Stimme fragte: Sagen Sie doch, Frau Bergner, was führt Sie eigentlich immer zu unserer Frau Baronin? Hat sich die gnädige Frau etwa wegen mangelhaffer Pflege beschwert? Ich denke, daß wir keine Mühe scheuen, der Dame jeden Wunsch zu er­füllen!" Kitty stand wie versteinert. Gegen offensicht­liche Bosheit war sie machtlos.

,, Ich möchte Frau Vagas gerne gesundpflegen", sagte sie einfach.

Die Schwester lachte höhnisch.

,, Als wenn wir hier nicht dasselbe wollten! Meinen Sie, wir leben auf dem Mond? Mir scheint eher, Sie haben ganz bestimmte Absichten. Die Frau Baronin hat sehr gute Sachen, die Sie in Ihrer Lage wohl gebrau­chen könnten."

Diese, mit versteckter Wut hervorgezischten Worte trafen Kitty wie Dolchstiche. Sie stand wie vom Donner gerührt.

Leider waren die niedrigen Instinkte in Theresienstadt zu ungeahnter Höhe emporgewachsen. Es war, als wenn die Gefangenschaft die Menschen von Grund aus um­modelte. Alle Frauen kamen doch fast ausschließlich aus gut bürgerlichen Kreisen und waren in bezug auf Moral gefestigte Naturen, die nicht leicht der Versuchung anheimfallen sollten. Leider war aber das Gegenteil der Fall. Es war eine richtige Amoral unter den Frauen. Nie hatte Kitty m entferntesten daran gedacht, irgendwelche Gegenstände oder Geschenke von der Baronin anzu­nehmen. Habgier lag ihr ganz und gar nicht.

Sie sah nur die Schwester schweigend an und ging mit hochgerecktem Kopf, aber mit versteinertem Ge­sicht, ohne eine Antwort zu geben, weiter durch den Flur und betrat das Zimmer.

Frau Vagas hatte sich unter Kittys liebevoller, sorg­samer Pflege tatsächlich erholt. Sie begann wieder zu

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