Abends lagen die Straßen nach 9 Uhr in Grabesstille. Voller Ungeduld warteten die Eingeschlossenen auf Nachricht aus der Heimat, doch der Tag brachte nichts Neues. Die Lage blieb sich gleich. Wer beschreibt Kittys Entzücken, als sie endlich ein Paket von ihrer Schwester Elisabeth in Händen hielt.

Mit Tränen in den Augen packte sie den Inhalt aus: 3 Apfel, 6 Zwiebeln, eine Dose Tomatensuppe und ein Päckchen Mischkaffee. Solche Herrlichkeiten hatte sie seit langer Zeit nicht mehr gesehen.

Noch am gleichen Tage suchte sie Helga auf, um mit der Freundin zu feilen. Denn auch Helga gab von ihren Sachen immer einen Teil an Kitty. Die Freundin hatte eine Schwester in Brüssel wohnen, welche ihr viele Pakete mit den schönsten Lebensmitteln sandte. Auch seitenlange Briefe, worin sie ihre Besorgnis und Liebe für die Schwester aussprach, bekam Helga. Nun war es selbstverständlich, ihre Dankesschuld bei Helga abzu­

tragen.

Helga war so glücklich, durch diese Zusatzlebens­mittel für ihren Hans ein anständiges Essen bereiten zu können, woran auch Kitty und Frau Lupiskaja häufig teilnehmen mußten. Und mit gutem Recht erhielt Frau Lupiskaja ihr Quantum. Sie beaufsichtigte auf dem Bo­den den kleinen Ofen, worauf die verschiedenen Töpfe der Mitbewohnerinnen standen.

Theresienstadt ist so winzig klein, daß nur ein Punkt auf der Landkarte diesen Ort kennzeichnet. Und doch lebten zeitweilig 60 000 Menschen darin. Lebten ist zu­viel gesagt. Sie vegetierten und tun es noch. Aller­dings sind es jetzt 45 000 nach den zwei letzten Trans­porten. Die Sudetenkette schließt die Stadt ein, und dazwischen drängen sich die Mauern und der Stachel­draht, der das Lager von der Außenwelt abtrennt. Nur an der einen Seite, wo die Viertel der Lagerkomman­dantur liegen, bleibt ein Weg in die Freiheit offen.

Nun war der dritte Lagerkommandant mit Namen Rahm eingezogen. Die Verordnungen und Tagesbefehle

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