,, Ich kann verstehen, daß man bei Ihnen nicht an Kameradschaft denkt, sondern gleich an eine Ehe."
Kitty antwortete nicht.
Frau Lupiskaja fragte sich im stillen, ob sie wohl taktlos gewesen sei.„ Anthonys sind reizende Leute, immer zuvorkommend und hilfsbereit. Nur die Frau scheint in der letzten Zeit recht schwach zu werden." Kitty erschrak heftig.
,, Ja, das Gefangenenleben ist hart. Es packt uns alle einmal, daher muß ich immer an meine Tochter Sonja denken. Ich würde wahnsinnig werden, wenn ich sie verlieren müßte."
Kitty lenkte ab. Es war gut, von allem Möglichen zu sprechen, nur nicht von der entsetzlichen Lage ihrer Gefangenschaft. Sie mußten ja alle ihr Los tragen. Es war niemand da, der half.
"
, Wie hübsch Sie Ihre Lagerstätte hergerichtet haben." ,, Ein wenig Kunstgefühl kommt den alltäglichsten Dingen zugute."
Kitty bot die Hand zum Abschied. Frau Lupiskaja küẞte sie auf beide Wangen in echt russischer Manier.
,, Vergessen Sie mich nun nicht mehr, und kommen Sie recht bald wieder." Auf Zehenspitzen betrat Kitty ihr Zimmer, wo die meisten Frauen schon zur Ruhe gegangn waren. Mit äußerster Rücksicht trug sie ihre Bettstücke hinaus auf den Hof und richtete ihr Lager auf. Sie schlief nach wie vor unter freiem Himmel.
Die Freunde gingen über die Hauptstraße entlang nach Hause.
Der heutige Morgengottesdienst von Dr. Goldner, als Seelsorger der evangelischen Gemeinde geleitet, hatte ihre Gedanken wachgerüttelt und zwang sie, das Thema weiter zu verfolgen.
Besonders Hans Anthony, der zum ersten Male einem christlichen Gottesdienst beiwohnte, war bis ins Innerste erschüttert.
Er faßte Peter aufgeregt am Arm. Seine Augen hinter den Brillengläsern brannten.
217


