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, Wissen Sie, Weininger, es ist seltsam hier mit den Menschen, nach und nach verlieren sie alle langsam den Verstand.
Blöd werden sie, einfach blöd."
Nebenan, in der Färberei, ist seit einigen Tagen eine Neue. Manchmal weiß sie ganz vernünftige Antworten zu geben, aber dann ist sie irgendwie behindert,- geistesabwesend, träumt. Am hellichten Tag.
Ich hab nie geglaubt, daß es wirklich solche Menschen im täglichen Leben gibt. Die eignet sich niemals zu einer tüchtigen Arbeiterin."
Der angeredete zweite Ingenieur Weininger sah zu dem lang aufgeschossenen, hageren Manne mit dem viel zu kleinen Kopf, den pechschwarzen, buschigen Augenbrauen und der mächtigen Glatze hinauf und zuckte bedauernd die Achseln, dann sagte er begütigend: ,, Wir haben schon viele untüchtige Frauen und Mädchen im Betrieb gehabt, die sich später ganz nett einarbeiteten. Man muß nur Geduld haben!"
,, Ich sage Ihnen, die träumt immer. Wenn die Duka sie ruft, dauert es lange, bis sie sich in die Wirklichkeit findet. Sie ist mit ihren Gedanken stets woanders, nie bei ihrer Arbeit."
,, Vielleicht hat sie einen Kummer?"
,, Mir gleich! Ich werde sie bei der ersten Gelegenheit an die Luft setzen. Gehen Sie doch mal hinein, Weininger, und sehen Sie sich das seltsame Wesen an."
Weininger nickte. Seine kleine untersetzte Figur mit dem komischen Bäuchlein schob ab. Er trat von der Putzerei in den Gang hinaus, um in die nebenan liegende Färberei einen Blick zu tun.
Das wenig schmeichelhafte, ja abfällige Urteil des Ersten hatte seiner Neugierde keinen Abbruch getan, gehörte doch das„ Ewig Weibliche" zu seiner Schwäche, und den Spitznamen„, Schürzenjäger" ließ er sich gutmütig gefallen.
Aufrichtig gesagt, freute er sich geradezu auf die
Neue.
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