das geht eigentlich über meine Kraft. Man empfindet so recht den Mangel an Freiheit, wenn das Wetter so schön ist wie heute." Peter sah ihr sinnend ins Gesicht. Und dann sprach Kitty leise:

,, Wer weiß, ob ich die Freiheit je erlebe."

Ihr Antlitz war sehr bleich geworden, und dann sprach sie weiter:

"

, Vielleicht nimmt mich vor der Zeit eine Krankheit mit sich fort, wie alle anderen meiner Leidensgefährtinnen, die von Hamburg hierher geschickt wurden. Und wenn die Natur sich zur Ruhe legt und die Blätter im Tale fallen werden, ist es auch mit mir aus. Wer kann das Leben ohne Hoffnung tragen?"

Der jungen Frau traten die Tränen in die Augen.

,, Oh, wer wird so kleinmütig sein, Frau Bergner. So dürfen Sie nicht denken. Ein solcher Glaube ruft den Tod herbei. Glauben Sie an das frische, pulsierende Leben Ihres Körpers, an die Reinheit und Erhabenheit der Natur, und Sie werden die Widerwärtigkeiten unse­rer Lage überwinden."

,, Mir sind die schweren Erlebnisse eine stete Todes­mahnung gewesen, je mehr sie sich häuffen, desto grau­siger wirkten sie auf mein Gemüt. Bald sind alle Ham­burger Familien, mit denen ich hier eintraf, gestorben." Ein wildes Schluchzen durchschüttelte auf einmal Kitty. Sie hatte ihre Selbstbeherrschung verloren.

Da nahm Peter Vagas die zitternde Gestalt sachte in seine Arme. Ohne Worte, ohne großen überschwang vollzog sich der staunenswerte Wechsel in beider Le­ben. Eine einzige Sekunde hatte entschieden. Ein wun­dervolles Gefühl des Geborgenseins überkam Kitty. Sie schloß die Augen und ruhte nach Jahren an der Brust eines fremden Mannes. Und Peter?

"

,, Verzeihen Sie, wenn ich Sie erschreckt habe, Frau Bergner. Nehmen Sie mir bitte meine Freiheit nicht übel. Sie ahnen nicht, was Sie mir sind. Bei Ihrem ersten Anblick spürte ich schon das Entscheidende für mein Leben. Sie sind das Ebenbild meiner Mutter, als

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