Essen blieb immer dasselbe, reichte nicht hin, nicht her, und man lebte in dauernder Furcht zu verhungern. Schlimm war auch die Einförmigkeit der Tage, so ganz ohne Hoffnung. Nie erreichte irgendeine Nachricht The­resienstadt. Die Mauern waren zu hoch und zu abge­schlossen. Nichts drang herein.

Lautlos reihten sich die Tage aneinander, sie wurden zu Wochen, Monaten und Jahren.

Wie lange würde sie noch dieses Leben ertragen können? Bereits waren alle Hamburger Familien, die mit dem damaligen Transport nach Theresienstadt ver­schickt waren, gestorben.

Mit zusammengezogenen Brauen schritt Kitty über die Straße und bog in die Rathausgasse ein, wo ihre Wohnung lag.

Trotz des heiteren und lustigen Spieles, dem sie bei­gewohnt hatte, war sie jetzt von einer außerordentli­chen Schwermut und Traurigkeit erfüllt. Plötzlich über­querte ein großer, schlanker Herr den Fahrdamm und kam ihr direkt entgegen. Zwei braune Augen sahen sie für einen Moment prüfend an. Kitty fühlte, wie sie rot wurde, sie schlug den Blick nieder und wollte die Tür­klinke ihres Einganges erfassen, da trat der Herr auf sie zu.

,, Gnädige Frau, Ihre Bekanntschaft mit Frau Arnstein , meiner Patientin, gibt mir den Mut, Sie anzusprechen. Ich wollte Sie bitten, Frau Arnstein aufzufordern, in meine Sprechstunde zu kommen. Sie hat eine verheira­tete Schwester in Brüssel , von der ich gern die Adresse einer dort lebenden, mir befreundeten Familie erhalten möchte. Würden Sie wohl die große Güte haben und diesen Auftrag übernehmen?"

Kitty hatte bei den ersten Worten aufgesehen und war etwas zerstreut seinen Ausführungen gefolgt. Ihre zarte Gesichtshaut hatte die Röte schnell wieder ver­loren und war blaß, wie zuvor. Langsam nickte sie. ,, Gewiß, sehr gern! Ich spreche meine Freundin morgen an meiner Arbeitsstätte und werde es ihr ausrichten."

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