die Grenze bis zu dem Termin, wo das Essen in der Kaserne ausgeteilt wird. Dann und wann mußte sie aber doch stehenbleiben, die Schwäche zwang sie dazu. Ja, mit den neugewonnenen Kräften nach der langen Krankheit mußte sehr Maß gehalten werden.

Als Kitty in den Kasernenhof eintrat, standen die Insassen der aufgerufenen Häuser in langen Reihen noch an. Die Essensausgabe hatte eine Verzögerung erhalten, wahrscheinlich waren die Kartoffeln knapp ge­worden, und es mußten neue hinzugekocht werden.

,, Hinten anstellen, immer hinten anstellen, meine Herr­schaften", erschallen die Rufe der Ordner über den Hof.

,, Bitte, sich nicht vorzudrängen, dann müssen Sie sich ganz neu wieder anschließen!"

Langsam, Schritt für Schritt rückte die Reihe vor, bis auch endlich Kitty ihr Eßgeschirr durch den Schalter hineinreichte. Jeder bekam heute 30 Deka( 300 Gramm) Kartoffeln, eine kleine, winzige Kelle Soße darüber und einen Schöpflöffel Suppe. Mit diesem Schatz, der die tägliche Mittagsration ausmachte, eilte Kitty in die nahe liegende Wohnung, um dort in größter Ruhe das Mittagsmahl einzunehmen. Daheim holte sie mit kriti­schen Blicken den Brotbeutel hervor und maß vorsich­tig mit den Augen das Quantum ab. Ja, durfte man von dem kleinen Laib Brot noch eine Schnitte abschneiden? War es nicht zu gewagt? Sie mußte doch mit einem Zwei- Pfund- Brot fast vier Tage auskommen. Trotz des Lärmens legte sich Kitty sofort nieder, noch durfte sie sich diese kurze Ruhezeit gönnen. In wenigen Tagen wollte sie ihre Arbeit wieder aufnehmen, dann hatte sie keine Minute frei. In dem Zimmer herrschte ein wü­stes Durcheinander. Was war wieder geschehen? Die beiden Berlinerinnen, sonst gute Freundinnen, zankten in den stärksten Ausdrücken miteinander: ,, Hat der Mensch Töne, das soll ein halbes Brot sein? Mir bleibt die Spucke weg über solche Gemeinheit! Du sagst ja gar nichts, Kaufmann?"

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