waren wegen Überfüllung geschlossen, und ihre Be- mühungen blieben vergeblich. So mußte sie trotz ihres anstrengenden Dienstes ihr Augenmerk dauernd auf die Pflege ihres Schützlings richten. Sie lief tagelang um- her, die so wichtige Diätkost für ihn zu erhalten. Der Andrang war so ungeheuerlich, daß immer nur ein klei- ner Kreis von Auserwählten den Vorzug einer Diätkost genoß.“
Als Schwester glückte es ihr wirklich.
Nie würde Kitty den letzten Anblick dieses prächtigen Mannes vergessen. Mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, saß der Tote, den Kopf tief gesenkt, wie in stiller Ergebung. Auf seinem wie in Marmor erstarrten Antlitz ruhte der Ausdruck eines heiligen Friedens. Das kleine Zimmer wurde plötzlich eine geheiligte Stätte.
Frau Larson war wider Erwarten sehr gefaßt, da- gegen schien seine Schwägerin, Fräulein Löwenherz, ganz und gar gebrochen.
Diese lebhafte, herzensgute Dame konnte dem schwe- ren Schicksalsschlag keinen Widerstand entgegenset- zen. Obgleich auf vielen Gebieten der Kunst und der Wissenschaft zu Hause, versagte ihr Geist den prakti- schen Fragen des Lebens gegenüber.
Wie hatte sich Kitty immer gefreut, wenn sie ermüdet und leergepumpt von Kraft nach Hause kam, erschöpft auf ihrem Lager saß und dann die Larsonschen Damen zusammen mit Lenchen sich bei ihr einfanden und durch viele geistvolle Unterhaltungen die Lebensimpulse wie- der frisch anregten. Dann war es besonders Fräulein Loewenherz, die die rechte Partnerin Kittys war. Sie spürte dann einen Widerhall aus den wundervollen Dich- tungen großer Dichter und Denker, und das armselige, vom Fron der Arbeit beherrschte Leben der Gefange- nen versank, und vor dem geistigen Auge des kleinen Kreises erhob sich das frühere, wertvolle Dasein, dann vergaß jeder für Augenblicke die furchtbare Gegenwart.
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