,, Hast du auch deine Tasche, Helene, und schon zur Nacht gebetet?"

,, Ja, ich wünsche dir eine gute Nacht."

,, Ich dir auch, Helene, schlafe gut und denken wir beide an den armen Georg, daß auch er eine ruhige Nacht habe."

Frau Michelsohn lag neben Frau Magnus und den bei­den Damen Larson. Sie beteten jeden Abend laut vor sich hin und wünschten dann allen Zimmergenossinnen eine gute Nacht. Die übrigen Frauen unterhielten sich noch eine Weile flüsternd, bis vollkommene Stille ein­trat.

In der Nacht fing dann unter den 27 Frauen das Wan­dern nach der Toilette an, oder das Rufen der kränke­ren nach einer Bettschüssel. Durchfälle und Blasen­katarrhe traten immer wieder auf. So wurde die Ruhe dauernd gestört. Fast die Hälfte der Frauen war durch das Bodenliegen krank. Zwar kam der Blockarzt jeden Morgen und gab seine Verordnungen, aber die Apotheke hatte keine Mittel auszugeben, dadurch schritt die Krank­heit immer mehr fort, entwickelte sich heftiger, bis der Zustand des Verfalls eintrat. Das war gewöhnlich das Ende.

So wie es hier zuging unter den Frauen, so spielte es sich in ähnlicher, nur schnellerer Art bei den Männern ab. Diese schliefen auf dem gegenüberliegenden Flur der anderen Seite des Korridors.

Eines Tages teilte Frau Larson Kitty mit, daß ihr Mann schon seit Tagen krank wäre. Erschrocken fragte Kitty: ,, Was fehlt Ihrem Mann denn? Es ist doch hoffentlich keine ernste Krankheit?"

,, Mein Mann hat nach Aussage des Blockarztes Ge­lenkrheumatismus, verbunden mit typhösen Erscheinun­gen, Durchfall. Er darf vorläufig nur ganz leichte Schleim­suppen essen. Das bringt ihn natürlich sehr herunter. Sie wissen ja, Frau Bergner, wir sitzen alle auf dem kalten Boden, und da wird auch er sich dadurch erkäl­tet haben."

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