leitet, wo dann jeder sein Eßgeschirr gefüllt bekam. Für die bettlägerigen, kranken Hausbewohner setzte sich der Menagedienst ein, von zwei Herren aus der Männer­abteilung gebildet, die das Essen in großen Kübeln in die Wohnung brachten. Dafür bekamen jene doppelte Ration.

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Abends bot das Zimmer der 27 Insassen einen gro­tesken Anblick. Alle Frauen lagen ausgestreckt auf dem Boden, dicht aneinander, und als einzige Weg­spur war in der Mitte nur ein kleiner schmaler Gang frei. Wenn die Frauen in der Nacht zur Toilette mußten - und das mußte jede Nacht die Hälfte der Insassin­nen, dann war es eine Kunst, über die vielen aus­gestreckten Beine zu klettern. Auch war es sehr schwer, sich in der Nacht seiner Länge nach auszustrecken. Ir­gendwie geriet man immer mit seinen Beinen in den Bauch oder in die Kniekehlen der daneben liegenden Nachbarinnen. Auch mußte man die Lage seines Kör­pers so einrichten, daß man den Atem seiner nächsten Umgebung nicht so spürte.

In der Praxis ergab sich erst das Ergebnis der Berech­nungen, nicht in der Theorie. Dieser kleine Lebensraum war eine feuflisch angelegte Methode, die Menschen zu vernichten. Nämlich, sobald jemand erkrankte, war die Gefahr groß, auch krank zu werden, setzte aber eine ansteckende Krankheit ein, so war sie lebenbedrohend, weil es keinen Schutz gab, sich der Ansteckung zu er­wehren.

Wenn Kitty sich abends zu Bett legte, dann war ihr letzter Blick immer auf die gegenüberliegende Seite des Zimmers gerichtet, wo die beiden Damen auf dem Boden zusammen lagen. Jeden Abend hörte Kitty sie dasselbe sprechen.

,, Erinnerst du dich noch, Helene, unserer schönen Ge­sellschaften, die wir gaben und der vielen Freunde, die bei uns aus- und eingingen?"

,, Ja, Martha, die vergangene Zeit war sehr schön, und vielleicht werden wir noch einmal ein ähnliches erleben."

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