harren zu wollen, bis zu dem Moment, wo die Stunde der Befreiung aus der Gefangenschaft schlagen würde. Es war eine Aufgabe, die sie sich selber stellte.
Die Unterschiede der einzelnen sozialen Stufen durch Anlage, Bildung und Lebensumstände sollten hinfort keine Rolle mehr spielen. Und diese Gruppenschicksale im kleinen sollten später noch eine Leidenswelt unermeßlichen Ausmaßes im großen, worin Kittys Leben vollständig versank, eröffnen. Es gab fortan kein Einzelerleben mehr, was individuell gewertet werden wollte, sondern nur ein Kollektiverleben, in das der einzelne aufging.
Nun erst überblickte Kitty kritisch ihr letztes Verhalten in Hamburg vor zwei Tagen, bevor sie diese Reise antrat. Sie schalt sich unter heftigen Selbstvorwürfen innerlich tüchtig aus. Was hatte sie nicht alles versäumt? Die Kostbarkeit der letzten Augenblicke in der Heimat in dumpfem Groll und Trauer verbracht, anstatt mutig dem Schicksal die Stirn zu bieten.
Hier unter diesen sympathischen Menschen hatte sie sich nun endlich wieder zurechtgefunden, doch verhehlte sie es sich nicht, daß nur die Leiden der anderen verbannten Frauen sie umgestimmt hatten, wenn auch das Resultat das gleiche war: nämlich die Verbannung!
Die Gegenwart, die sich jetzt als eine unübersteigbare Mauer emporreckte und das Vergangene abschloß, war schemenhaft, ohne greifbare Anhaltspunkte für das Werden der Zukunft. Alles lag dunkel, ungewiß vor ihr.
"
Wissen Sie, Herr Larson, wohin unsere Reise eigentlich geht?" fragte Frau Lupiskaja.
,, Damit kann ich Ihnen dienen, meine gnädige Frau. Auf der Gemeinde wurde mir gesagt, unser Ziel sei Theresienstadt. Dort würden wir alle gehalten werden, als lebten wir in einem Altersheim. Es soll für uns vollständig dort gesorgt werden."
,, Dasselbe wurde mir auch erzählt", mischte sich Frau Schiller ins Gespräch. ,, Doch nach dem, was ich erlebt
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