Das Gehörte war kein vorübergehender Schall, son­dern drang tief hinein ins Innere eines jeden. Das Be­wußtsein des Verwobenseins mit dem Schicksal aller dieser Anwesenden empfand auch Kitty sehr stark.

Die gesellschaftlichen Unterschiede, obgleich sie sich auch hier schon bemerkbar machten, spielten keine Rolle mehr. So empfand sie das Dumpfe, Erdrückende ihrer Lage nicht mehr so stark wie bisher. Durch die Not der Mitwelt, die verhältnismäßig größer war als ihre eigene, wurde diese, wenn auch nicht aufgehoben, so doch stark vermindert. Zwar war es kein Trost zu wissen, daß es Menschen gab, die immer noch mehr zu leiden hatten als man selber, aber dennoch empfand sie das allzu Schwere ihres Schicksals nunmehr tragbarer.

Lange Zeit war tiefe Stille in dem Abteil.

Die Larsonschen Damen waren die ersten, die jetzt anfingen, aus dem mitgeführten Koffer Gegenstände aller Art herauszunehmen, um appetitliche Brötchen für das Nachtmahl zurechtzumachen.

Ihrem Beispiele folgend, beschäftigte sich auch jetzt Frau Lupiskaja mit der Zubereitung eines Imbisses, wo­bei ihr die kleine Sonja mit erwachendem Interesse assistierte.

Fräulein Arend indes verhielt sich nach wie vor feil­nahmslos.

Auch Frau Schiller und Frau Juda, die beide noch unter dem Eindruck ihrer letzten schweren Erzählungen standen, verhielten sich passiv und dachten nicht daran, in die gewohnten Alltäglichkeiten zurückzufallen.

Auch Kitty beschäftigte sich gleich den anderen mit der Zubereitung eines einfachen Nachtmahles. Ihre Ther­mosflasche enthielt guten, starken Tee, und dieser tat denn auch seine wohltuende Wirkung. Er regte Kittys erschöpfte Lebensgeister mächtig an.

Die Dämmerung war bereits hereingesunken.

Von den ungleich traurigeren Umständen der Lebens­schicksale der drei anderen Frauen im Abteil berührt, beschloß Kitty in stummem Gebet zu Gott, tapfer aus­

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