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Nach einer Weile fragte Frau Larson: Wissen Sie nicht, wohin man Ihr Kind gebracht hat?"

Frau Juda schüttelte den Kopf.

Da tröstete die Frau: Hoffen wir, daß Ihr Kind am Leben geblieben ist und Sie es dereinst nach Ihrer Rückkehr wiedersehen werden."

,, Schrecklich", ließ sich Larson vernehmen ,,, wie über­all dort, wo sich die Nürnberger Gesetze auswirkten, die Schicksale der Menschen bis zur Wurzel zerstört worden sind."

Am Fenster saß eine Frau mit dichtem schwarzen, krausen Haar.

Bislang hatte niemand etwas von ihr bemerkt. Sie war die Mutter des kleinen Jungen und hatte sich ganz kurz als Frau Schiller aus Berlin vorgestellt.

Sie erhob sich jetzt und fragte.

,, Es ist bald Nacht und die Herrschaften möchten sich vielleicht lieber zur Ruhe begeben, aber bevor es ge­schieht, wollte ich bitten, auch mich einen Augenblick anzuhören."

Alle stimmten zu.

,, Meinen Mann haben die Nationalsozialisten erschos­sen, ohne daß er auch nur das Allergeringste getan hatte. Wir befanden uns, mein Sohn, mein Mann und ich, in Hamburg als Gäste auf dem Hochzeitsfest meiner Nichte. Dort wurden wir mitten aus dem Feste, von der Tafel weg allesamt abgeholt von der Gestapo . Sieben Män­ner wurden samt meinem Manne fortgebracht und in der gleichen Nacht erschossen. Es sollte eine Vergel­tungsmaßnahme sein für das Attentat auf den Statthal­ter Heidrich, der in der Tschechoslowakei bei seiner Rückkehr von einer Reise von dortigen tschechischen Patrioten erschossen worden war. Juden kamen für die­sen Überfall überhaupt gar nicht in Frage. Trotzdem wurden Hunderte von unschuldigen Menschen, darunter auch mein lieber, guter Mann, erschossen.

Und nun habe ich das Liebste verloren", wimmerte Frau Schiller.