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Damen und Kinder. Seit elf Jahren kannte ich diese bei­den arbeitsamen Frauen, und wenn ich nach Hamburg kam, um für mich und meine kleine Tochter", sie unterbrach sich und rief: ,, Sonja, mein Liebling, erhebe dich mal, kleiner Faulpelz, und zeige dich den Herr­schaften!" Ein ganz entzückendes junges Mädchen von kaum 15 Jahren, ein wahrer Engel an Schönheit mit einem blonden Lockenkopf, erhob sich schlaftrunken aus der Ecke. ,, Sehen Sie, das ist meine Sonja, Tänzerin, und bereits ein aufgehender Stern, wie ich mit Stolz hinzu­fügen darf." Das kleine Fräulein reichte jedem der In­sassen des Coupés die Hand.

Danach trał wieder tiefe Stille ein, und Frau Lupis­kaja setzte ihre Erzählung fort: Die eine Schwester arbeitete für mich und meine Tochter seit Jahren. Eines Tages erschienen Ende 1935 die Nürnberger Gesetze . Das war für Alma und Anna ein Verhängnis. Sie stamm­ten von jüdischen Eltern und hatten sich später katho­lisch taufen lassen. Alma wurde ihres Berufes als Leh­rerin enthoben. Von Anna zog sich fast der ganze Kundenkreis zurück, und nur wenige Kunden blieben, die notdürftig den Unterhalt der beiden decken konn­ten. Anna wurde durch die unausgesetzten Aufregungen sehr krank, denn, wie bekannt, traten immer härtere Verfügungen über die Juden in Kraft. Eines Tages wurde Anna besinnungslos und mußte ins Krankenhaus ge­schafft werden. Hoffnungsloser Fall. Man stellte dort Tuberkulose fest.

So off ich kam, saß Alma allein zu Hause und starrte mit tränenlosen Augen ins Leere. Ich mußte sie trösten, und schließlich blieb ich ganz dort, um die völlig Un­fähige zu stützen.

Das Unglück wuchs. Die Schwester bat Alma, sie wie­der zu sich zu nehmen, sie wolle nicht im Krankenhaus sterben, sondern oben im kleinen Stübchen, wo durch das Fenster noch das Stück Himmel zu sehen war, wo nachts die Sterne mit Goldglanz erstrahlten und der Mond sein silbernes Licht durch die Scheiben sandte.

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