deutschen Grenze bestiegen noch einmal Beamte der Gestapo den Zug und revidierten die Vertriebenen.
Unentwegt rollte der Zug seinem Ziele zu.
Kittys Gedanken verschwanden fast völlig, und sie fühlte nur, wie ein Todesahnen ihre Seele überflutete. Alle Erinnerungen, alles letzte Geschehen sanken in
Vergessenheit.
Da hörte man plötzlich eine Stimme.
Frau Lupiskaja, die schöne, schwarzhaarige Dame, die sich als Künstlerin vorgestellt hatte, hatte sich erhoben und wies auf das neben ihr versunken dasitzende Mädchen und sagte:„ Jene dort hat wohl das allerschlimmste Schicksal gehabt, das man sich denken kann, und es würde unsere Gedanken ablenken, wenn wir auch mal ein anderes Erlebnis aus unserer Leidenswelt hörten."
Larson drehte sich darauf zu der Sprecherin herum und machte eine kleine Verbeugung.
,, Gewiß! Sie haben vollkommen recht, gnädige Frau, und wenn es nicht zu unbescheiden ist, so würde ich Sie bitten, uns das Schicksal Ihrer Nachbarin zu erzählen."
,, Ich bin gern dazu bereit", antwortete Frau Lupiskaja, ,, um so mehr als ich das traurige Schicksal meines Schützlings als Zeugin selber miterlebt habe."
"
, Trotzdem ich von Geburt Russin bin, wurde ich unfreiwillig in Deutschland festgehalten und war während der Zeit Gast meines Schützlings hier."
Sie beugte sich zu dem jungen Mädchen herab und fragte:
,, Alma, wenn du nichts dagegen hast, erlaubst du mir vielleicht, deine furchtbaren Erlebnisse zu erzählen?" Alma nickte nur. Dann begann Frau Lupiskaja:
,, Im fünften Stock einer bescheidenen Behausung in Hamburg lebten zwei Schwestern, Alma und Anna Arend. Beide ledig. Die eine war Lehrerin, befand sich während des halben Tages außerhalb in ihrem Beruf. Die andere Schwester, Schneiderin, versah den kleinen Hausstand und verfertigte hubsche Kleider für elegante
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