Schwung befand sie sich plötzlich auf dem Wagen. Ein eisiger Schrecken durchlief ihre Glieder.
Wo war die Schwester?
,, Elisabeth", wollte sie rufen, aber kein Laut kam über ihre Lippen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie ließ ihren Blick umherschweifen und gewahrte die Schwester auf der gegenüberliegenden Seite der Straße, wie sie hastig mit der Hand winkte.
Das Tor öffnete sich, und der schwere Lastkraftwagen mit der Menschenlast fuhr jetzt an und bog schnell um die nächste Straßenecke.
Die Umstehenden blieben zurück und sahen mit gemischten Gefühlen dem rasch entschwindenden Lastkraftauto nach. Sie wurden sich erst jetzt dessen bewußt, wie hart wohl ein solcher Abschied von der Heimat sein mußte, der so ganz und gar ins Ungewisse führte.
Welch' ein Verbrechen aber soeben mit der Vertreibung dieser Menschen begangen wurde, hatte in seiner ganzen Tragweite wohl keiner der Zurückgebliebenen begriffen. Denn diese Versklavung traf nicht einzelne Menschen, sondern richtete sich gegen ein ganzes Volk.
Deutsche wüteten gegen Deutsche.
Während sich die Ansammlung auflöste, eilte Elisabeth allein die Straße hinab.
Jetzt konnte sie ihren Tränen ungestört freien Lauf lassen.
Der Lastkraftwagen schwankte durch die Straßen und fuhr mit rasender Eile über Plätze und Wege, durch die Spaldingstraße bis zu dem dortigen Schulgebäude. Hier hielten bereits andere leere Wagen.
Die Neuankömmlinge wurden aufgefordert einzutreten und sich in verschiedene Räume zu verteilen, bis sie zur Kontrolle aufgerufen würden. Dieser Ort war ein Sammellager zur letzten Visitation.
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