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Federlesens sagte er den Schwestern, sie sollten sich eine an­dere Wohnung suchen oder abreisen. Haus und Gärten würden der Beschlagnahmung anheimfallen, um hier ein Heim für ausgebomte Reichsdeutsche einzurichten. Ein paar Tage spä ter fuhr dieser vorlaute Wentz abermals mit einem Auto ins Schwesternheim und zwar mit zwei Frauen. Ohne weiteres luden sie ein grösseres Quantum der nach seiner Ansicht schon beschlagnahmten Mirabellen auf. Die Oberin sprach nun bei mir vor und erhielt die Aufforderung, ihr Kloster nicht freiwillig zu verlassen. Sie solle auf meine Verantwor­tung hin, nur der Gewalt weichen, ja, sich und die Mit­schwestern auf die Strasse hinauszerren lassen. Die energische Oberin nahm diesen Vorschlag begeistert an und sagte es dem Nazichef Wentz. Zur Verhütung eines Skandals, mehr noch aus Angst vor meinem« Beschützer» Dunkern, musste nun dieser gehässige Wentz an mich heranrücken, wagte aber nicht einmal, persönlich vorzusprechen, sondern wollte mich am Telephon mit seiner Grosschnautze einzuschüchtern su­chen. Da kam er aber schlecht an. Ehrendomherr Bolzinger, Pfarrer in Cutting, weilte zufällig gerade bei mir zu Besuch und wohnte als Zeuge meiner ferndrahtlichen Erklärung bei. Ein Glück für den Nazi, dass kein Fernsehapparat nebenan stand, sonst hätte dieser Wentz durch unser spöttisches La­chen noch mehr Herzklopfen bekommen. Ich sagte: Es sei mir mitgeteilt worden, dass ein Beamter der NSV- Organisation von Salzburgen mit einem Auto, in dem zwei Frauen sassen, also ausserhalb des Dienstes, Obst in Cutting weggenommen hätte. Wentz solle den Namen dieses Untergebenen feststel­len lassen. Der Garten sei doch Privateigentum. Uebrigens dürfe nach ausdrücklicher Vorschrift Obst nur für Wehr­machtszwecke beschlagnahmt werden. Es wäre meine Pflicht, nachzuforschen, ob tatsächlich die Mirabellen die ge­setzliche Verwendung gefunden hätten. Herr SS- Oberführer Dunkern wäre so zuvorkommend gewesen, mich zu bitten, ihm sämtliche Misstände und Verfehlungen der Unterbeamten so­fort dienstlich zu melden. Das gute Verhältnis zwischen Staat und Kirche dürfte nicht durch die Schuld einiger untergeord­neter Beamte leichtfertig getrübt werden. Inbetreff der Aus­weisung der Krankenpflegerinnen aus dem Heim und der Be­schlagnahmung des Gebäudes würde ich durch den Kreislei­ter einen Bericht an das Berliner Innenministerium richten, falls man sich an dem Kloster von Cutting vergreifen sollte.

Was musste Wentz am Telephon ein dummes Gesicht ge­macht haben, denn er selbst hatte das Obst gestohlen und bangte um meinen Bericht an den gefürchteten Gestapochef Dunkern. Er wurde am Telephon ganz kleinlaut und versprach mir eine baldige mündliche Besprechung im Pfarrhaus von Dieuze . Wie vorausgeahnt, liess sich Wentz nie sehen.

Unterdessen ging an den Kreisleiter von Château- Salins ein Brief mit folgendem Inhalt ab: das Schwesternhaus von Cutting gehört zu den historisch berühmten Gebäuden Lothringens . Es ist das Geburtshaus des weltbekannten Mis­sionars Moye, über den viele Bücher verfasst worden sind, unter anderm ein klassisches Werk von Georges Goyau , Mit­