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bis ins entlegenste Dorf hinein. Er hat eine Riesenpfarrei zu betreuen. So mancher Flüchtling ist mit dem Herrgott und der Welt in Konflikt geraten. Die Seelen müssen wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Auch die materielle Not schreit um Abhilfe. Es fehlt das tägliche Brot, es fehlen die Kleider, Wäsche... Immer wieder springt der gute Pater ein, besorgt Küchengeschirr, Brot und Wäsche, oft Unterkunft und Arbeitsgelegenheit, auch Rosenkränze und Gebetbücher. Der brave Augustin gilt den Heimatlosen als ein Stück Vorsehung. Seine arme Kapuzinerkapelle in SaintAntoine der Stadt Cognac hat sich in eine Art Winkeladvokatenbüro umgewandelt. Da hättet ihr einmal den immer aufgeheiterten Pater bei seinen Flüchtlingen sehen sollen, wenn er die letzten Nachrichten des« Feindsenders>> verkündete, immer neue Hoffnungen ins betrübte Herz streute, auch oft gelungene Streiche erzählte, die er den Schwowen spielen konnte. Dies alles, mit Wohltatenspenden und seinem herzlichen Lachen verbunden, ist heller Sonnenschein für manch dunkles Gemüt. Unser Pater ist unbezahlbar, müssen wir immer wieder sagen. Wir klammern uns gleichsam an ihn, ist er ja unser 15. Nothelfer für materielle Sorgen und für die seelischen Bedürfnisse. Immer auf der Walz mit seinem unzertrennlichen Fahrrad, bei brennender Hitze oder den Stürmen des dortigen Atlantikklimas, legt Pater Augustin an manchen Tagen mehr als hundert km zurück, wollte er ja allen alles werden, um alle für Christus zu gewinnen.
Sein Sprengel, der ursprünglich nur Cognac und die nähere Umgegend erfasste, hatte sich bald bis Saintes und Châteauneuf, ja auf die halbe Charente Maritime bis zur Gironde ausgedehnt. Von allen Seiten verlangte man den guten Pater. Regelmässig versieht er die Pfarrei Sigogne, wo früher Volmünster umgesiedelt war und jetzt noch viele Lothringer wohnten. Jeden Sonntag legte der Pater die 20 km nüchtern per Rad zurück. Gelegentlich wurde er telegraphisch zu einem Schwerkranken an die Grenze der Gironde gerufen. Da zögerte er keinen Augenblick, die 90 km per Rad « abzukloppen». Wohl jeden Sonntag zelebrierte er dreimal, kam erst gegen ein Uhr nachmittags in Cognac an, um dann gleich wieder aufs Rad zu steigen und gegen Abend den tröstenden Helfer bei andern Lothringern zu spielen. Kurz vor seiner Verhaftung las der Kapuziner Augustin an Weihnachten 1943 in Salles d'Angles die Mitternachtsmesse und sagte unter anderm in der Predigt:« Was ist ein Führer, was ein König? Doch nur Staub, doch ein Nichts. Unser Führer, unser König ist Christus in der Krippe, ewig, allmächtig, Gott .»
Der herzensgute Pater kümmerte sich auch um lothringische Wehrmachtdeserteure, die sich in grosser Zahl hier versteckt hatten, ebenso auch um die französischen Männer und Jünglinge, die in Deutschland für den Feind keine Zwangsarbeit leisten wollten. Augustin vermittelte diesen von der Gestapo Gesuchten falsche Papiere, Lebensmittel und Arbeitsgelegenheit. Auf die Dauer konnte dies nicht geheim
bleiben.
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