372
Klasse Reisenden, zu denen ich damals noch gehörte, nie ganz vergessen sollten.
Auch aus meinem neapolitanischen Brieftaschenabenteuer habe ich einiges gelernt und nicht nur, daß es auch im faschistischen Italien Taschendiebe gab, und daß die Eisenbahnzüge noch immer mit fahrplanwidriger Verspätung ihr Ziel erreichten, wodurch sich meine nun fluchtartige Heimreise höchst verdrießlich komplizierte. Allerdings hatte ich im Gegensatz zu neun Zehntel meiner gutangezogenen Landsleute niemals an die Heilsbotschaft Mussolinis geglaubt, so daß es mich eher mit einer Art grimmer Befriedigung erfüllte, meine unabänderliche Meinung durch die gemachte Erfahrung bestätigt zu finden.
Aber da war noch etwas anderes, was mir sehr zu denken gab, weil es den einfachen Tatbestand, daß einem armen Schriftsteller auf Reisen seine Brieftasche gestohlen worden war, in witziger Weise dialektisch verwirrte. Ich hatte nämlich, wie es geht, aus meinem kleinen Erlebnis eine kleine Geschichte gemacht, die, als sie erschien, einen unverhältnismäßigen Erfolg hatte; sie wurde vielfach nachgedruckt und von allen Seiten honoriert, so daß mir schließlich„ ,, Die Brieftasche" weit mehr eintrug, als in der Brieftasche enthalten gewesen war. Aber, fragte ich mich selbst, ist nicht eigentlich der Dieb der Urheber meiner Geschichte, die ich ohne sein Hinzutun doch nicht geschrieben hätte? Selbst meine immerhin ergänzende Arbeit abgerechnet, schuldete ich ihm nicht zumindest eine angemessene Beteiligung an dem von mir hinter seinem Rücken erzielten Mehrerlös? Conscience money nennt es der Engländer. Aber wie es ihm zukommen lassen, da er, leichtsinnig wie Diebe sind, seine Adresse nicht zurückgelassen hatte? Mir bleibt nichts übrig, als dem fingerfertigen Mann, dessen unschuldiges Gemüt nichts von literarischen Praktiken wußte, öffentlich mein Bedauern auszusprechen und meine Schuld zu bekennen. Ehrlicher


