DAS WIRTSHAUS ZUR VERLORENEN ZEIT 371

Am zweiten Morgen, als diese ekelerregende Doppelschwin- gung sich etwas einzuschränken begann weil, wie mir der Secondo später anvertraute, der alte Rumpelkasten von einem Schiff sich hinter schützenden Inseln weiterbewegte fühlte ich mich von einem, wenngleich immer noch hoffnungslosen Verlangen angewandelt, ein paar Schritte auf dem Promenade- deck zu versuchen. Ich tat es und schaute, über die Balustrade gebeugt, zu dem von Auswanderern und ihren Familien be- völkerten Zwischendeck hinunter, wie wir Erste-Klasse-Passa- giere dies auch sonst manchmal in müßiggängerischer Lange- weile, um Beobachtungen zu machen, zu tun pflegten. Dabei fiel mir von ungefähr ein, daß eine unserer Damen eine Kol- lekte für eine tatarische Auswandererfamilie mit drei unmün- digen Kindern bei Tisch angeregt hatte. Drunten wurde eben getafelt, und während die auf dem Bretterboden Sitzenden ihre dampfenden Blechgeschirre mit den in der Brühe schwim- menden Fleischbrocken gierig zum Munde führten, stieg ein fauliger Suppengeruch zu mir herauf, der mir neuerlich übel machte. Ich wankte und wäre wahrscheinlich ohnmächtig hin- gesunken, hätte nicht ein riesenhafter Tatar, den eine zylin- drische Lammfellmütze noch riesenhafter erscheinen ließ, die ihm verbotene Verbindungstreppe zum Promenadendeck im Sturm genommen, um mich aufzufangen und mich bis zu meiner Kabinentür in einer Weise zurückzustützen, daß ich eigentlich mehr den Eindruck hatte, getragen als geführt zu werden. An der Schwelle trat er mit würdiger Bescheidenheit zurück, und ich griff in die Tasche, um ihm als Entlohnung eine Krone in die Hand zu drücken. Den Blick, mit dem er sie zurückwies, werde ich nie vergessen. Er hat mich, auf einer sonst zwecklosen Reise nach Griechenland , ein für allemal davon überzeugt, daß der Mensch von Haus aus gut, das heißt, einer vollkommen selbstlosen Handlung fähig ist. Zumindest die Ärmsten der Armen sind es zuweilen, was die in der ersten

M*