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MIT MIR IN AMERIKA

Richtige gewesen. Ich hätte meinen Urlaub eigenmächtig ver­längern und, anstatt pünktlich zurückzukehren zu meinem da­mals noch unbezahlten richterlichen Amt, lieber eine oder zwei Wochen länger in Italien bleiben und den Wirt studieren sollen, der dieses philosophische Gasthausschild erfunden oder übernommen hatte. Denn auf den Wirt kam es doch eigentlich an bei der Novelle, auf seinen menschlichen Hintergrund und seine einmalige Charaktermischung, auf die Gestalt mit einem Wort und nicht auf die Philosophie des Aushängeschildes, so an­sprechend sie auch formuliert sein mochte. Auch die kleinen Leute, die in dem entlegenen Wirtshaus zusammenkamen, etwas näher kennenzulernen, hätte mir wahrscheinlich nicht geschadet und meinen italienischen Novellen, die ich zehn Jahre später zu schreiben anfing, sicher genützt. Kann sein, daß, wäre ich damals ausgestiegen, statt bequem weiterzugleiten, es meinem ganzen Leben eine andere Richtung gegeben hätte und daß ich als Künstler gewonnen hätte, was ich an bürgerlicher Achtung in meinen Augen und in denjenigen meiner bürgerlichen Zeit­genossen, die mir besorgt nachblickten, einbüẞte; vielleicht wäre etwas aus mir geworden. Aber es war nun einmal ein bürger­liches Zeitalter und ich keine Ausnahme. Wir alle, die wir aus einer epikuräischen Epoche in eine bußfertige herüberlebten und aus einer ästhetisierenden in eine moralisierende, mögen uns heute den gleichen Vorwurf machen: daß wir die Wichtigkeit und die Bedeutung des Verlustes, auch des Verlustes an Zeit, überschätzten. Wir wollten sicher gehen und gingen fehl. Denn was heißt am Ende Zeit verlieren? Man kann doch nur ver­lieren, was man gewonnen hat, und wirklich gewinnen nur um den Preis eines möglichen Verlustes. Auf das Risiko, das schreck­hafte, aber auch herrliche Risiko, kommt schließlich alles an, und heute, wo ich, um noch einmal das nachklingende Wort Elisabeth Heykings zu zitieren, selbst bei der letzten oder vor­letzten Auster vom Dutzend halte, dünkt mir, daß meine im