DAS WIRTSHAUS ZUR VERLORENEN ZEIT

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einem schwanenweißen Schiff das klassische Gestade Virgils entlanggleitend, plötzlich über einer im silbrigen Morgenlicht auftauchenden Osteria die Worte las: ,, Osteria al tempo per­duto", auf deutsch : Das Wirtshaus zur verlorenen Zeit. Welch ein Titel für eine Rahmenerzählung oder einen Novellenband, fanden mein Freund und ich, denn beide hatten wir es mit der Literatur. Wir spielten Tennis mit der Idee und, mit dem Blick auf die nordwärts sich verändernde Landschaft, das Verdeck des Schiffleins auf und ab schreitend, erfanden wir auch gleich die eine oder andere Novelle, die in diesen koketten Rahmen passen mochte. Aber Novellen sind leichter erfunden als ge­schrieben, wenn man ganz jung ist nämlich, denn später mag es sich eher umgekehrt verhalten. Jedenfalls, diese Geschichten wurden nie zu Papier gebracht, noch ist der geplante Band er­schienen. Aber der Titel des bloß geträumten Buches blieb in meiner Verwahrung, da ich ihn zuerst entdeckt hatte, und als ich ein paar Jahre später auf einer schon wieder anderen italie­nischen Reise meinen Lesern schon hatte ich welche einen literarischen Bericht zu erstatten mich verpflichtet fühlte, er­innerte ich mich jener lockenden Aufschrift. Sie wurde für mein weiteres Leben bestimmend, denn mein Artikel hatte einen un­verhältnismäßigen Erfolg. Vielleicht war er nicht ganz schlecht, aber das beste an ihm war jedenfalls der Titel, den ich dem lachenden italienischen Ufer an einem Ostermorgen und meinem Geburtstag denn noch dazu war es mein Geburtstag ge­abgestohlen hatte.

wesen

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Heute freilich, im Rückblick und in einem Abstand von vier­zig und mehr Jahren, will mir scheinen, daß ich damals ver­kehrt gehandelt habe. Ich hätte nicht so oberflächlich weiter­fahren sollen, an dem mählich ernstere und zuletzt drohende Formen annehmenden bergigen Ufer, sondern an der nächsten Haltestelle die Fahrt unterbrechen und zurückgehen sollen zu dem weinseligen, philosophischen Wirtshaus. Ja, das wäre das