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MIT MIR IN AMERIKA

Landsmannschaften war seit der Einigung Italiens die italie­nische, die den reizvollsten Teil des südlichen und südwest­lichen Alpenvorlandes bewohnte. Da hatte der Österreicher des neunzehnten Jahrhunderts das doppelt angenehme Gefühl, zu­gleich Gast und Hausherr zu sein, und etwas davon lebte auch noch im Sohn und Enkel, wenn er von Wien in einem Nachtzug der Südbahn nach Venedig oder nach Verona hinunterfuhr, obwohl diese beiden Städte jetzt nicht mehr österreichisch waren. Die Landschaft war es noch immer, obschon zugleich italienisch, was festzustellen ein morgendlicher Blick aus dem Kupeefenster genügte. Da standen plötzlich Zypressen schwarz und schlank gegen den Himmel wie Rufzeichen vor dem Worte Italien . Da trugen dunkelhaarige Landmädchen den kupfernen Wasser­eimer freischwebend auf dem Kopfe ins Haus; da hatte die Dorfkirche plötzlich einen weißen Turm aus Marmelstein mit einer offenen Glockenstube, in der die Glocken wie aufge­scheuchte Vögel flatterten, und die Städtchen und Berge hatten melodische Namen, die richtig auszusprechen der Deutsche erst lernen mußte. Welch eine Lust, im österreichischen Italien und über diese Völkerbrücke hinweg ins wirkliche zu reisen. Die Hochzeitsreise nach Italien zu machen, war in Wien nahezu selbstverständlich, und eine Art Hochzeitsreise war es denn auch, die ein gleichaltriger Freund und ich im Frühjahr 1900 unternahmen, nur ohne Frauen, was übrigens nicht ganz wört­lich zu nehmen war. Wir hatten beide, mein Freund und ich, unseren Doktor eben erst glücklich hinter uns gebracht und be­lohnten uns dafür mit dieser südlichen Lustfahrt, in der mein erstes Buchhonorar aufging. Geld in Individualität anlegen, nannte man es damals, den erzieherischen Wert derartiger Aus­flüge genuẞsüchtig überschätzend. Immerhin, die Überschrift dieses Kapitels und des ganzen Buches, für das es als Symbol gelten mag, ist die späte Frucht dieser frühen Reise.

Es war auf dem Rückweg über den Gardasee , daß ich, in