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Gesellschaft sitzt sie immer neben ihrem Mann, oft bis fünf Uhr früh. Wenn sie beruflich verreisen müsse, rufe sie vom Bahnhof, vor Abfahrt des Zuges, geschwind noch einmal an. Aus dem fahrenden Zug telegraphiert sie ihm und ist unglücklich, wenn sie nicht noch unterwegs eine Antwort erhält. Sonntags sind die Gatten immer zusammen in der Kirche zu sehen und abends vor dem Einschlafen beten sie zusammen. Auch übergibt er sich nie dem Schlummer, ohne daß sie das Kreuzzeichen über seiner Stirne macht, bevor sie ihn auf den Mund küẞt.
Solchen Argumenten hält auch das Ordinariat nicht stand. Die letzte Entscheidung läßt auf sich warten, aber schließlich trifft sie ein. Der Producer, der erst tags zuvor seine Heilige zum Dinner im Familienkreis eingeladen hatte- größte Auszeichnung, die in Hollywood einem aufsprossenden Talent zuteil werden kann, läßt sie in sein Office kommen. ,, Gewonnen!" geht er ihr mit dem in der Hand geschwenkten Telegramm entgegen. Sie nimmt von seinem Inhalt Kenntnis, läßt sich zu Tode erschöpft von dem langen Warten auf dem Sofa nieder und sagt nichts als: ,, Gott sei Dank! Die Kinder sind versorgt, morgen bring' ich die Scheidungsklage ein." Und sie bricht los, wie nur eine Frau, die seit Monaten gestaut war, losbrechen kann. ,, Eine vorbildliche Ehe? Daß ich nicht lach'! Von allem Anfang an hat er mich betrogen. Und jetzt, neulich... Ich hab' mir's ja gleich gedacht. Aber seit gestern abend weiß ich's! Die ganze Nacht ist er neben ihr gesessen, bis fünf Uhr früh!" Natürlich sind alle ihre Anklagen und Verdächtigungen völlig aus der Luft gegriffen, aber was können Sie gegen eine patho-logisch eifersüchtige Frau in solchem Falle unternehmen? Der Producer hört ihr bestürzt zu und erst als sie fertig ist, erklärt er ihr den Fall. Das ist alles schön und gut, oder vielmehr nichts ist schön, nichts gut, aber was wollen Sie da tun, Bunny dear? Es ist ganz ausgeschlossen, daß eine Frau, die in Scheidung liegt, die heilige Lysieux spielt. Nie würde das bischöfliche Ordina
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