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Es handelte sich um die Besetzung eines vielversprechenden religiösen Films, dessen Hauptfigur eine junge Heilige ist. Für eine junge Heilige in Hollywood eine einwandfreie Besetzung zu finden, ist keine leichte Aufgabe, denn sie muß nach Filmbegriffen anziehend sein und auch das besitzen, was mein verewigter Freund Wassermann den seelischen Tiefgang nannte. Aber schließlich glaubte der Producer, und mit vollem Recht, die richtige Darstellerin gefunden zu haben. Er verschwieg ihren Namen zunächst noch der Presse und gab ihn, um nicht Anstoß zu erregen, vorläufig nur der geistlichen Oberbehörde bekannt, die an dem Erbauungsfilm Interesse nahm. Statt der erwarteten Zustimmung kam ein überraschender Einspruch von seiten des in Betracht kommenden bischöflichen Ordinariats: die vorgeschlagene Künstlerin wäre verheiratet, hätte mehrere Kinder, und es ginge nicht an, daß eine mit einem Manne durch ein fruchtbares Eheleben verbundene Frau auf der Leinwand eine unberührte Heilige darstelle. Äußerste Bestürzung im Hause des Producers, der große Stücke auf seine noch unentdeckte Heilige hielt und sich, mit Recht, in jedem Sinne viel von ihr erwartete. Aber wie die geistliche Oberbehörde von der Richtigkeit seiner Wahl überzeugen? Geschäftliche Erwägungen spielen in jener Welt keine Rolle, man muß also auf die moralische Qualifikation der vorgeschlagenen Künstlerin hinweisen. Das geschieht und mit allem gebotenen Nachdruck. Wohl, führt der Producer in einer schriftlichen Eingabe zerknirscht aus, die Dame ist verheiratet. Aber wie ist sie verheiratet? Sie lebt in einer geradezu exemplarischen Ehe. In ganz Hollywood , ja in ganz Los Angeles , gäbe es keine zweite, die sich mit der ihrigen vergleichen ließe. Sie und ihr Gatte, der sie vergöttere, böten ein Bild voller, ungetrübter Harmonie; in zehn Jahren( für die Presse sechs) hätte es nicht den Schatten eines Zwistes zwischen ihnen gegeben. Zu Hause lebt sie ausschließlich für ihren Mann und ihre vier( in der Presse ohne Zahlenangabe) Kinder. In


