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MIT MIR IN AMERIKA

ken Städtchen, die verschiedene Namen tragen, aber im Grunde doch immer dieselben amerikanischen Städtchen sind, jedes mit seiner Town Hall, seiner Schule, seinem Drugstore und dem weißgestrichenen hölzernen Kirchtürmchen, dessen kindliche Unentwickeltheit das englische Wort stepple besser als seine deutsche Entsprechung widergibt. Dann, während wir uns dem Mississippi nähern, der den Osten vom Westen scheidet, wer­den die Siedlungen seltener und Einsamkeit überwächst sie. Knallrote Farmdächer in oft meilenweitem Abstand sind jetzt die einzigen Farbentupfer im eintönigen Grün, das sich im Maße, als die Breiten zunehmen, gelblich verfärbt. Aber auch diese Ozeane von Mais und Weizen versanden schließlich, und was dann noch bleibt und uns begleitet, ist die graugrüne ame­rikanische Steppe, auf der nur noch hin und wieder ein paar versprengte Viehherden ohne sichtbaren Hirten und merkbare menschliche Niederlassung weiden. Warum Amerika die Ein­wanderung überhaupt quotenmäßig begrenzt, wird einem beim Überblicken dieser menschenleeren Weiten immer unverständ­licher. Nicht der zehnte Teil des Bodens und seiner unerschöpf­lichen Fruchtbarkeit scheint ausgenützt.

Am zweiten Morgen beim Erwachen erschließt ein schräger Blick aus dem Fenster ein wieder anderes Bild. Eintönig unend­liches Flachland, wie gestern, aber am Bahndamm sind plötz­lich Alpenblumen erblüht, Schafgarbe und Akelei und Wiesen­orchideen und Erika. Man unterscheidet die im Bergwind schau­kelnden Blumenhäuptchen im Vorbeirasen ganz deutlich, nur von Bergen ist nichts zu sehen. Das macht, wir sind auf der immer gleich flachen Ebene des amerikanischen Mittellandes unversehens bis zur Höhe des Schweizer Engadin emporgestiegen, hinter dem nun auch bereits Gebirgszüge schattenhaft aufdämmern. Das ist das hochalpine, wenngleich südlich milde Colorado , wo wir ein paar Tage bleiben wollen. Eine zackige Hochgebirgswelt erinnert an die südliche Schweiz . Allerdings fehlt unter den