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Wachstum blieb seinem künstlich geometrischen Wachstum keineswegs erspart. Noch um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts machen sich vorlaute englische Reisende lustig über den gloriosen Zackenstern seiner ausstrahlenden Avenuen, der vielfach leer ins Leere zackt. Einen General ohne Armee nennt ein britischer Offizier das imposante Kapitol, und der große Dickens , der auf einer Vortragsreise hier flüchtig haltmacht, spricht von einer ,, Stadt ohne Menschen, Straßen ohne Häuser, und Durchfahrten, durch die nichts hindurchfährt". Die friedlichste aller Regierungsstädte, entwickelte Washington sich erst in drei fürchterlichen Kriegen zur Menschheitsstadt, die zu werden es ,, das Gesetz, wonach es angetreten", verpflichtete. Die Verwirklichung ihrer moralischen Idee erlebte auch Wilson nicht, der ihr ganz nahe schien. Ein hochgesinnter Doktrinär wie L'Enfant, brach auch er, auf einer schnurgeraden Linie gegen hinterhältige Vorurteile Amok laufend, inmitten der von ihm geplanten Stadt schließlich zusammen. Und es bedurfte augenscheinlich eines zweiten, noch schlimmeren Weltkrieges, um das Kapitol, diese Peterskirche der Politik, zum Heiligtum eines allumfassenden Menschheitsfriedens zu machen.
In jenen unentschiedenen Jahren, zwischen der englischen Kriegserklärung und Pearl Harbour, war Washington , verschanzt hinter seine neutrality bill, sein Waffenembargo und sein lend lease Programm, noch einmal die friedlichste aller Städte, in der nur niemand an den Frieden glaubte. Vergessen wir nicht, daß es in Washington war, wo Roosevelt , Mai 1940, nach dem Zusammenbruch Frankreichs das große Wort sprach: ,, Wir brauchen fünfzigtausend Luftschiffe" dieselben fünfzigtausend, die ein paar Jahre später den Krieg entschieden. Aber selbst damals, vor fünf Jahren, als noch jedes Wort gegen Hitler als lebensgefährliche Propaganda galt und die Regierungsgesellschaft in Washington in einem nicht uner
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