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MIT MIR IN AMERIKA

beiden haltlosen Hälften geworden? Auch ein schlanker Sessel im Arbeits- und Empfangszimmer macht ähnlich treuherzig wohlgelaunte Biedermeierscherze. Unter seiner schmalen Sitz­fläche befindet sich ein Lädchen, darin lagen die Handschuhe, mit denen angetan der große Emerson sonntags zur Kirche ging, und die Kleiderbürste, mit der er den schwarzen Rock abstaubte. Schräg gegenüber in einer Ecke, dem Lichte zu­gewandt, steht seine gelbliche Marmorbüste. Er ist in hohen Jahren dargestellt, als der Dichter in ihm längst über den Geistlichen gesiegt hatte, der er von Haus aus gewesen war, und der weltweite Essayist über den auf seine Gemeinde be­schränkten Prediger. Das Lächeln, das seine vorgebogene Klas­sikernase in dem glattrasierten Gesichte angenehm umfließt, ist ihm von beiden geblieben und adelt seinen erhabenen Philosophenkopf. Es erinnert von ferne an Voltaire , aber es ist das Lächeln eines, wenn man so sagen darf, frommen Vol­taire. Trotzdem ist es kein standardisiertes amerikanisches Allerweltslächeln. Emerson übersah die kleinen Schwächen seiner Landsleute nicht, denen er ein für allemal ihre ,, über­große Bewunderung für die Dampfmaschine"( das heißt für alles Mechanische und Mechanisierte) zum Vorwurf macht. Aber er fand in entscheidenden Augenblicken auch heroischere Akzente als diejenigen einer bloß verneinenden oder ein­schränkenden Kritik: Im Herzen des lieblichen Concord, dort wo sich ein paar aufeinander zulaufende Straßenzüge wie die Zeilen eines Sonetts verschränken, steht ein Kriegerdenkmal aus der Zeit des Civil War, und unter den konventionellen Emblemen in Stein und Erz ein Vierzeiler, der nicht unter­zeichnet ist, aber von dem jedes Kind in Concord weiß, daß er von dem Ortsheiligen Emerson herrührt. Er lautet:

So nigh is grandeur to our dust

As God is near to man.