312

MIT MIR IN AMERIKA

In Amerika , das begann ich noch vor Schluß des ersten Schul­jahres einzusehen, durfte man nichts voraussetzen, am wenig­sten sich selbst. Die Ausnahme waren die Movie Stars, deren es auch in der Literatur etwelche gab. Die anderen, die es bloẞ sein wollten, waren nur Primadonnen mit oder ohne Wirkungs­kreis, wobei die ohne Wirkungskreis die noch schlimmeren, weil anspruchsvolleren, waren. Der Schriftsteller, der durch eine Reihe von Jahren zu einem vertrauten Leserkreis gesprochen hatte und nun neu anzufangen, voraussetzungslos neu anzu­fangen sich genötigt sah, befand sich in einer ähnlich unhalt­baren Lage. Er war gewohnt, daß man ihm zuhörte, wenn er sprach. Jetzt mußte er zuhören, wenn die anderen sprachen und trachten, sie zu verstehen, was die Schwierigkeiten seines Fort­kommens wesentlich vermehrte. Denn die Sprache des Geistes, das was wir Ideologie und was die Amerikaner philosophy nennen, ist eine Sprache über der Sprache, die den gleichen Worten einen oft ganz verschiedenen Sinn unterschiebt. Der Unterschied ist, beispielsweise, daß wir in Europa mit einem von der Antike abgeleiteten Stolz ,, Homo sum" sagten, wo man in der Neuen Welt ,, Homo est" sagt, und das ist allerdings eine Verschiedenheit wie zwischen Schwarz und Weiß.

-

Die Folge für den Künstler und somit auch für den Schrift­steller- denn nur im Maße als er Künstler ist, ist er Schrift­steller oder gar Dichter ist unermeßlich. In Europa durfte er sich nicht anbieten, in Amerika muß er sich anbieten- auch hier wieder mit Ausnahme einiger Primadonnen. Dort kam der sich Anbietende um seinen Rang, hier verliert der sich nicht Anbietende den seinen. Und warum? Nicht weil Amerika ein unkünstlerisches Land wäre, wie manche Emigranten miẞver­ständlich glauben, sondern weil Initiative das Wesen der Demo­kratie ist, ihre sozusagen weltliche Seite. Nicht Bereitschaft, wie Hamlet sagt, ist hier alles, sondern Bereitwilligkeit, die sich nur im Entschluß beweist. Die Willensäußerung wird verlangt und