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MIT MIR IN AMERIKA

undachtzigjährigen Dame auf das allerfreundlichste ange­nommen. Sie empfing mich in einem gesellschaftsfrohen, mit Möbeln und Kissen und Bildern etwas überfüllten Salon, der sichtlich noch aus der Zeit der ,, Bibelots" und des ,, Bric a brac" stammte, und sprach gleich von den Salzburger Festspielen und von Wien , über das ich ein an meiner Verschickung nicht ganz unschuldiges Buch kurz vor Hitlers Machtergreifung veröffent­licht hatte. Ich sagte, daß ich es ihr gerne verehrt hätte, wenn es nicht in deutscher Sprache geschrieben wäre. ,, Oh, ich spreche und lese deutsch ", sagte sie in einem vollkommen akzentfreien Deutsch und mit einem anzüglich klugen Lächeln, das es mir ermöglichte, ihr tags darauf mein Buch zu schicken.

Ich kam dann noch ein paarmal zu Mrs. James Roosevelt und fand sie immer in angeregter und anregender Stimmung neben ihrer Teemaschine sitzend und ihre Gäste bedienend. Einmal mußten meine Frau und ich, im Salon sitzend, etwas auf sie warten, weil sie eben erst von einem Konzert heim­gekommen war, das sie an ein Luncheon angeschlossen hatte, und sich rasch für die Oper umkleiden mußte. So leben die Zwanzigjährigen und so lebte Mrs. James Roosevelt , die mehr als Achtzigjährige. Ihre Lebenskraft hatte etwas Mythisches und dem entsprach auch ihre körperliche Erscheinung. Aus österreichischen Augen angesehen, sah sie aus wie eine Maria Theresia , aber eine Maria Theresia in Überlebensgröße, Mutter und Landesmutter zugleich. Aber sie war ganz unpathetisch, auch als Mutter, sogar als Mutter. Einmal war ich so unbe­scheiden, vom Präsidenten zu sprechen, ohne ein Hehl daraus zu machen, wie sehr ich ihn als Staatsmann und als Kämpfer, wie ich es auszudrücken versuchte, bewunderte. Sie hörte mir geduldig zu, den großen Kopf mit den mythisch großen Ge­sichtszügen etwas schräg geneigt, ganz Mutter, aber ganz und gar nicht die stolze Mutter des Coriolan, die wir aus Shake­speares Tragödie kennen, und sagte dann abschließend mit