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über mein erstes amerikanisches Schuljahr einzuflechten wäre unbescheiden, wäre sie nur an die Person gebunden. Sie ist aber aufschlußreich für eine Illusion und einen Fehler, die in Amerika keinem hier zugewanderten europäischen Schriftsteller erspart bleiben. Die Illusion besteht darin, daß er glaubt, die notwendige Anpassung an den amerikanischen Kulturboden in ein paar Wochen oder Monaten bewerkstelligen zu können, wo es sich doch um Wachstum handelt und jede Art von Wachstum, allen technischen Fortschritten zum Trotz, nach wie vor Zeit, ja, wenn sie überdauern soll, den Wechsel der Jahre, nicht nur der Jahreszeiten, voraussetzt. Mein Fehler- den wir fast alle machten war, daß ich anknüpfen zu können glaubte an das, was ich drüben gemacht hatte und gewesen war, daß ich fortsetzen wollte, anstatt neu anzufangen. Das ist nach wie vor auf wissenschaftlichem Gebiete möglich, aber kaum mehr statthaft im Felde der Literatur und am wenigsten einer Literatur, die eine zur Zeit verhaßte Sprache spricht. Thomas Mann und Franz Werfel sind kein Gegenbeweis. Beide behandeln europäische Stoffe, aber in einem weltweiten Sinne, der der Höhe ihres Talents entspricht. Und beide hatten das amerikanische Leserpublikum schon in der Vor- Hitler- Zeit erobert, so daß sie als amerikanische Autoren, nicht mehr als europäische, an sich selbst und ihre Vergangenheit anknüpfen konnten.
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In meinem Falle und damit kehre ich nun allerdings endgültig in mein erstes amerikanisches Schuljahr zurück kam noch etwas anderes dazu. Ich war als ein Opfer der europäischen Politik herübergekommen und hielt mich nicht nur für berechtigt, sondern im weltbürgerlichen Sinne für verpflichtet, über meine Erfahrungen mit Hitler- Deutschland, das ich ja bis zur Neige ausgekostet hatte, öffentlich Auskunft zu geben. Es bedurfte nicht erst des Zuredens und der Zustimmung meines Freundes Stefan Zweig , der behauptete, daß meine Dachauer Erinnerungen zu den, wie er sagte, ganz wenigen Schriften


