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selbst zu übersetzen gelang nicht einmal einem Heine oder Turgenjew , die jahrzehntelang in Paris lebten, ohne sich als' Schaffende völlig akklimatisieren zu können. Um eine Sprache wirklich zu meistern, reicht ein Menschenleben allenfalls hin, für eine zweite reicht es nicht, was natürlich nicht ausschließt, daß man lernen kann, auch eine zweite Sprache gewandt zu sprechen und sogar zu schreiben. Doch kommt es beim kreativen Schreiben nicht nur aufs Schreiben an, sondern auf jenen Urquell von Vorstellungen und Erfahrungen, der dem Schreibenden die noch ungeformten Worte zuträgt und ihn mit seinen Lesern verbindet. Heine schrieb in Paris deutsche Gedichte und Turgenjew russische Romane. Natürlich gilt dies nicht ohne Einschränkung. Shakespeare ist überall Shakespeare, obwohl nicht so ganz vielleicht in Frankreich , und Tolstoj bleibt Tolstoj , obwohl es immerhin eines zweiten Weltkrieges bedurfte, um ,, Krieg und Frieden " sechzig Jahre nach seinem Entstehen in Amerika populär zu machen. Aber abgesehen davon, daß Genies keine Beispiele sind, wie Schnitzler zu sagen pflegte, waren die Genannten und andere international Unsterbliche keine Emigranten, die im Ausland als heimatlose Flüchtlinge ihre Laufbahn noch einmal von vorne hätten anfangen müssen, was ohne Substanzverlust kaum möglich ist. Ich zweifle, ob sogar Thornton Wilder oder Hemingway oder Willa Cather oder John P. Marquand ganz dieselben bleiben und ihren Rang vollgültig behaupten könnten, wenn sie sich von heute auf morgen entschließen müßten, ihre Werke in deutscher Sprache oder auch nur für ein deutschsprechendes Publikum zu schreiben. Wobei ich Thornton Wilder an die Spitze stelle, nicht nur, weil er einer der liebenswertesten Dichter des gegenwärtigen Amerika ist, sondern auch, weil er die deutsche Sprache, ja sogar den Wiener Dialekt soweit beherrscht, daß er sich ihrer bedienen könnte.
Diese vorschauende Betrachtung in den Rechenschaftsbericht
19 Verlorene Zeit


