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HITLERS GAST

pflege übereinkamen, dem Konzentrationslager aus drei Grün­den vorzuziehen. Erstens, führte ein Raubmörder besonnen aus, ist es ein großer Unterschied, ob ich zu fünf oder meinetwegen sogar zu zwanzig Jahren verurteilt werde, oder zu einer unbe­stimmbaren Zeitspanne, die morgen enden kann oder auch nie. In dem einen Fall weiß ich, daß meine Haft jeden Tag um einen Tag kürzer wird oder, wenn ich Einzelhaft einschalte, fast um zwei, wohingegen hier gerade das Gegenteil gilt, je länger einer da ist, desto geringer wird seine Aussicht, das Lager jemals anders zu verlassen als ,, die Füße voran", wie unsere Blockführer so gerne sagen. Der zweite Umstand, der fürs Zuchthaus und gegen das Konzentrationslager spricht, ist, daß auch die Arbeit im Zuchthaus eine leichtere ist-..und viel anständiger eingeteilt!" fiel ihm ein rückfälliger Pferde­dieb sachkundig ins Wort: ,, Im Zuchthaus, wenn du deine acht Stunden Werg gezupft oder Bürsten gebunden oder Zündholz­schachteln geklebt hast, bist du für den Rest des Tages sozu­sagen wieder ein Mensch, kannst Zeitung lesen oder in die Luft schauen und brauchst dir nicht den Hintern ableuchten zu lassen von Scheinwerfern bei Nacht. Und dann-" ,, Und dann", mischte sich ein sanfter Giftmischer ins Gespräch: ,, ist da auch noch die Frage der Religion, der Religion, jawohl!" Und er führte aus, daß es im Zuchthaus einen regelmäßigen Sonntags­und Feiertagsgottesdienst gäbe, im Konzentrationslager hin­gegen gäbe es nichts dergleichen, keine Musik, keine Predigt, keinen geistlichen Trost. Und wenn es zu den letzten Dingen kommt und die Qual des Schutzhafthäftlings nahezu über­standen ist, hat er niemand, dem er sich flüsternd anvertrauen kann, und der seine Hand hält, während er den großen Sprung macht über den Abgrund., Und das", fand der Giftmischer mit frommem Augenaufschlag,, ist ein großer Nachteil des Kon­zentrationslagers, wenn du's mit dem Zuchthaus oder Werk­haus vergleichst, ja, man möchte sagen, ein entscheidender Nach­