DER HULLE ZWEITER TEIL

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der Dachauer Lagerstraße in einem unbeschäftigten Augenblick ein paar Schritte weit nachzugehen.

In diesem breiten, breiigen Gespensterreigen, der da an Sonntagnachmittagen die Baracken entlang schlürfte und quirlte, gab es nämlich neben den ungefähr fünftausend Schutzhäft­lingen auch ungefähr tausend vormalige Zuchthäusler, richtige ,, schwere Jungen", die eine richtige zehn- oder auch fünfzehn­jährige Kerkerstrafe wegen ganz anderer Verbrechen als wegen des Verbrechens, kein Nazi zu sein, richtig abgesessen hatten und sich jetzt nur zu einem vergleichsweise kurzen Aufenthalt, gleichsam zur Nachkur, vor ihrer Rücküberstellung ins bürger­liche Leben, abschließend zusammenfanden. Sie trugen, im Gegensatz zu uns, grüne Abzeichen, weshalb sie im Lager die ,, Grünen" hießen, und es lag nahe, diese kompetenten Grünen über den Unterschied zwischen Zuchthaus und Schutzgefangen­schaft in einem unbewachten Augenblick ein bißchen auszu­fragen.

Es scheint mir nicht unwichtig festzustellen, daß diese Tot­schläger, Blutschänder, Wegelagerer und Straßenräuber, mit denen ich hier die nicht alltägliche Gelegenheit hatte, mich in ein Gespräch einzulassen, übereinstimmend auszusagen wuẞ­ten, sie zögen jedes wie immer geartete Zuchthaus, ja sogar die Teufelsinsel, der Dachauer Schutzhaft vor. Und dies war keines­wegs in den Wind geredet; denn diese handfesten Burschen, denen das Verbrechertum ins Gesicht gestempelt war, stützten sich auf langjährige Beobachtungen und wußten, was sie als Sachverständige äußerten, nicht nur mit kriminalistischer Ein­dringlichkeit vorzubringen, sondern auch, wenn ich so sagen darf, hieb- und stichfest zu begründen.

Das Zuchthaus, sogar das deutsche, gar nicht zu reden vom amerikanischen, das Wochenendausflüge keineswegs hoffnungs­los ausschloß, war, wie diese emeritierten Galgenvögel und Kenner der Höhen und Tiefen internationaler Gerechtigkeits­