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HITLERS GAST

sogar englischsprechenden SS- Offizieren heiter begleitet, hatten diese aufmerksamen Zeitungsleute, während sie die nett gehal­tenen Stuben in Abwesenheit der auf den Arbeitsplätzen wei­lenden Bewohner, Notizen machend abgingen, den Eindruck eines ländlichen Erholungsheimes und berichteten in diesem Sinne über die angebliche ,, Hölle von Dachau". ,, Siehst du", sagte dann der für solche Mitteilungen empfängliche Bürger der westlichen Demokratien und englische appeaser beim Morgenkaffee zu seiner Ehehälfte: ,, Siehst du, daß das mit der Hölle nur jüdische Propaganda ist. Die Nazi sind gar keine solchen Teufel. Sie sind sogar blumenlieb."

Diese ausländischen Berichterstatter, wenn sie das Lager in diesem Sinne schilderten und photographierten, sprachen dann auch selbstverständlich nie von Gefangenen, sondern von Schutzhaftgefangenen, welchen Unterschied ihnen einzuschärfen die Behörden des ,, Reichs" nicht müde wurden. Die Unter­scheidung war von Wichtigkeit, weil sie den nationalsozialisti­schen Staat gegen den Vorwurf der Ungerechtigkeit schützte. Die Überstellung eines Schutzhaftgefangenen in ein Arbeits­lager war nämlich ein bloß ,, administratives" Auskunftsmittel, aber als ein Gefangener konnte man nur nach vorangegangener gerichtsordnungsmäßiger Verurteilung bezeichnet werden; denn, folgerten die Behörden mit macchiavellistischer Gewissenhaftig­keit: das Dritte Reich ist immer noch ein Rechtsstaat mit unab­hängigen Richtern, die unerschütterlich an den Grundsätzen der Gerechtigkeit festhielten. Es gab ein paar Narren unter den Nazi, die das wirklich glaubten; und die anderen wollten es zumindest glauben machen.

Wie aber wirkte sich dieser subtile Unterschied für den Schutzhaftgefangenen praktisch aus? Mit anderen Worten: wo­durch unterschied sich sein Status von dem des durchschnitt­lichen Zuchthäuslers? Es lohnte sich, dieser verzwickten Frage in dem an die Bilder des Höllen- Breughel erinnernden Gewühl